TourismusSo schielt die Schweiz auf Araberinnen
Touristen aus den Golfstaaten werfen mit Geld um sich. Wo die arabischen Familien ihre Ferien verbringen, entscheidet oftmals die Frau. Deshalb nimmt Schweiz Tourismus die Araberinnen ins Visier.
Eine regelrechte Berg- und Talfahrt erlebt dieses Jahr David Tschanz, Betreiber der Rodelbahn Heimwehfluh ob Interlaken. Im Juli starb eine pakistanische Touristin, als sie laut Polizei aus dem Schlitten geschleudert wurde. Trotzdem stürmen die Touristen den Berg, insbesondere jene aus den Golfstaaten wie Saudiarabien oder Kuwait. «Wir hatten noch nie so viele arabische Gäste wie dieses Jahr», freut sich Tschanz. Es sei erstaunlich, wie sich die Araber ob der Rodelbahn begeistern könnten. «Besonders die Frauen zeigen ihre Freude. Es scheint, als ob sie trotz ihren vielen Kleidern auf der Bahn ein grosses Freiheitsgefühl verspüren.»
Schweiz Tourismus nimmt Araberinnen ins Visier
Frauen im Schleier sind im urchigen Berner Oberland keine Seltenheit mehr: Die Araber zieht es nicht mehr nur nach Genf, sondern an viele Tourismus-Hotspots der Schweiz (siehe Diashow). Interlaken verzeichnet dieses Jahr gar einen sprunghaften Anstieg an arabischen Gästen. «Verschleierte Frauen gehören mittlerweile zum Ortsbild», sagt Patrizia Pulver von Interlaken Tourismus.» Alleine im Juni verzeichnete die Stadt eine Zunahme von über 103 Prozent an Gästen aus Golfstaaten im Vergleich zu 2009. Das Minarett-Verbot hat entgegen der Befürchtungen keinen Einfluss auf das Reiseverhalten der strenggläubigen Araber. Vielmehr bestimmt der Ramadan-Kalender die Ferienplanung der Muslime.
Die Touristen aus den Golfstaaten sorgen bei Hoteliers wie Boutiquebesitzern für glänzende Augen. Denn die meist äusserst kaufkräftigen Gäste schlafen in Fünfsternhotels und geben pro Tag weit über 500 Franken aus, mehr als doppelt so viel wie ein «normaler» Tourist. Die Spendierfreude kommt nicht von ungefähr: «Die Araber schätzen insbesondere die unberührte Natur und dass sie sich in der Schweiz völlig frei bewegen können», so Pulver. Diese Vorteile will Schweiz Tourismus den Arabern in Saudi-Arabien, Kuwait oder Bahrain schmackhaft machen. «Wir versuchen vermehrt, die arabischen Frauen direkt als Zielgruppe anzusprechen», sagt Véronique Kanel von Schweiz Tourismus. Ihre Meinung sei bei der Planung von Familienferien entscheidend. Frauen seien in den Golfstaaten sehr gut untereinander vernetzt, seien modebewusst und dementsprechend konsumfreudig. «Deshalb hat Schweiz Tourismus diesen Sommer in Dubai etwa an Berufsschulen für Frauen gezielt Werbung für die Tourismusdestination Schweiz gemacht», so Kanel.
Rodelbahn auf Arabisch
Um die Frauen zu erfreuen, hat der Direktor des Luxuxhotels Victoria-Jungfrau in Interlaken die Öffnungszeiten des Spas neu geregelt. «Die arabischen Gäste brauchen viel Betreuung, sie sind mit vielen für uns ganz normalen Sachen – etwa Zugfahren – nicht vertraut», sagt Hans-Rudolf Rütti. Im Interlaker Luxustempel stammte im Juli bereits jeder fünfte Gast aus den Golfstaaten. «Seit der Ramadan am 13. August begonnen hat, blieben sie aber aus», so Rütti.
Trotz Ramadan sind die Golfstaaten für viele Tourismusorganisationen ein strategischer Wachstumsmarkt. René Zeier, Leiter der Höheren Fachschule für Tourismus Luzern, sieht das grösste Potenzial im Fernen Osten. «Der grösste touristische Wachstumsmarkt ist China.» Millionen von Chinesen werden sich es in Zukunft leisten können, nach Europa und hoffentlich in die Schweiz zu reisen.»
Rodelbahnbetreiber David Tschanz setzt hingegen weiter auf die Gäste mit dem Schleier. Er habe extra einen Marokkaner angestellt, der den arabischen Touristen erkläre, wie die Rodelbahn funktioniere. Angst vor der Schlittelfahrt hätten sie aber fast nie.