Weko involviertStreit zwischen Migros und Herstellern wegen Preisdruck
Die Migros sorgt mit harten Preisverhandlungen für rote Köpfe bei den Herstellern. Der Branchenverband reichte Anzeige bei der Wettbewerbskommission ein. Die Kunden dürften nicht gross profitieren.
Darum gehts
- Die Markenvereinigung Promarca wirf der Migros Verstösse gegen das Kartellgesetz vor.
- Der Detailhändler soll die Hersteller bei Preisverhandlungen mit Drohbriefen unter Druck setzen.
- Die Wettbewerbskommission fordert eine Stellungnahme der Migros.
Die Migros ist im Clinch mit Lieferanten. Sie hat zahlreiche Drohbriefe an Produzenten verschickt, in denen sie durchschnittlich 10 Prozent Preisnachlass fordert, berichtet die «SonntagsZeitung» mit Bezug auf den Verband der Markenartikelhersteller Promarca.
Verhandlungen hat es offenbar nicht gegeben. «Wer nicht akzeptierte, musste mit Konsequenzen wie dem Einfrieren oder der Reduktion von Geschäftsbeziehungen rechnen», sagt Promarca-Geschäftsführerin Anastasia Li-Treyer zu 20 Minuten.
Der Verband hat Anzeige gegen die Migros bei der Wettbewerbskommission (Weko) erstattet. Dabei geht es um mutmassliche Verstösse gegen das Kartellgesetz. Die Weko forderte den Detailhändler bereits zu einer Stellungnahme auf.
Internationaler Player oder KMU?
Auf Anfrage sagt ein Firmensprecher zu 20 Minuten: «Die Migros wird darlegen können, dass der Vorwurf nicht zutrifft.» Die Mitglieder von Promarca seien hauptsächlich grosse internationale Unternehmen, die in der Schweiz deutlich höhere Preise für ihre Produkte verlangten als in Nachbarländern. Die Migros bezahle Einkaufspreise für Markenprodukte, die teilweise nur geringfügig unter deutschen Verkaufspreisen lägen.
«Detailhändler in der Schweiz haben mit 50 Prozent höheren Kosten gegenüber Anrainerstaaten zu kämpfen», sagt Dagmar Jenni zu 20 Minuten. Die Geschäftsführerin des Verbands der mittelständischen Detailhandelsunternehmen (Swiss Retail Federation) zeigt deshalb Verständnis für die Preisverhandlungen der Migros, sofern diese unter Einhaltung des geltenden rechtlichen Rahmens ablaufen.
Die Promarca-Geschäftsführerin sagt hingegen, dass unter den Dutzenden Unternehmen, bei denen die Migros ihre Drohungen bereits umsetzte, hauptsächlich KMU seien. Durch die Konzentration im Detailhandel auf wenige Anbieter seien viele Produzenten existenziell abhängig von ihnen. Nicht jeder von ihnen könnte den Preisdruck überleben. Doch die Migros könne die Markenprodukte durch Eigenprodukte ersetzen.
Wer profitiert?
Li-Treyer weist ausserdem darauf hin, dass aufgrund des mangelnden Wettbewerbs im Detailhandel nicht gesichert sei, dass Preisvorteile an den Endkunden weitergegeben werden. Preisverhandlungen, die zu Boykotten führen, sind keine Seltenheit im Schweizer Detailhandel. Erst vor einem Jahr boykottierte die Migros Produkte der Marke Mars.
Doch wer profitiert von dem Streit? Auf die Frage, ob die Migros die Preisnachlässe vollständig an die Kunden weitergibt, antwortete der Migros-Sprecher lediglich: «Die Migros setzt sich seit ihrer Gründerzeit kompromisslos für das beste Sortiment zu fairen Preisen ein.»
Sara Stalder vom Konsumentenschutz findet es «sehr fraglich», ob die Konsumenten vollumfänglich von den Preissenkungen profitieren werden. Das könne erst bei einer vollständigen Transparenz der diversen Kosten über die Wertschöpfungskette hinweg ersichtlich werden. «Diese Preistransparenz ist jedoch nicht gewünscht von den Detailhändlern. Es ist ein streng gehütetes Geheimnis», so Stalder.
Initiative
Faire Preise
Die Fair-Preis-Initiative will den überhöhten Beschaffungspreisen den Kampf ansagen, wie es im Initiativtext heisst. Sie schlägt eine Verschärfung des Kartellgesetzes vor, um zukünftig mehr Unternehmen einem Missbrauchsverbot zu unterstellen. Im März sprach sich der Nationalrat mit 102 zu 58 Stimmen gegen die Initiative aus. Er befürwortete aber einen indirekten Gegenvorschlag und besserte den Entwurf des Bundesrates nach. Dieser soll nun alle Konsumenten und Unternehmen vor Preisdiskriminierung durch ausländische Hersteller schützen. Ausserdem will der Nationalrat das Geoblocking verbieten, bei dem Schweizer Konsumenten beim Besuch von ausländischen Websites auf die Schweizer Seite umgeleitet werden. Die Träger der Initiative erwarten, dass die Volksabstimmung dieses oder nächstes Jahr stattfindet.