Live auf Instagram und Tiktok – So verändern Social Media die Kriegsführung in der Ukraine

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Live auf Instagram und TiktokSo verändern Social Media die Kriegsführung in der Ukraine

Den Krieg in der Ukraine live mitverfolgen: Social Media machen es möglich. Zwei Sicherheitsexperten und eine Soziologin erklären, wie das die Kriegsführung und unsere Wahrnehmung auf den Krieg beeinflusst.

Ständige Informationen in Echtzeit: Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur vor Ort ausgetragen. Durch das Internet verlagert sich die Krise auch auf Social Media. (Bild: Präsident Wolodimir Selenski während einer Pressekonferenz in Kiew, 03.03.2022) 
So nutzt etwa auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski die sozialen Medien als Sprachrohr für seine politischen und kriegsführerischen Anliegen. 
Auf Twitter folgen dem Präsidenten knapp 4.6 Millionen Followerinnen und Follower. Täglich gibt Selenski auf der Plattform Updates zum Kriegsgeschehen und zu internationalen Verhandlungen. 
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Ständige Informationen in Echtzeit: Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur vor Ort ausgetragen. Durch das Internet verlagert sich die Krise auch auf Social Media. (Bild: Präsident Wolodimir Selenski während einer Pressekonferenz in Kiew, 03.03.2022) 

AFP

Darum gehts

Explosionen, zertrümmerte Gebäude, flüchtende Menschen: Der Krieg in der Ukraine ist seit einer Woche nicht nur in den herkömmlichen Medien präsent – auch Social-Media-Plattformen werden geflutet mit Bildern, Videos und Berichten aus dem Kriegsgebiet. Nach wenigen Klicks sieht man auf Snapchat in Echtzeit, wie sich Menschen in Kiew in den U-Bahn-Stationen verbunkern. Auf Instagram und Tiktok findet man Bildmaterial von toten Soldaten und Zivilisten, die Opfer wurden von den Kämpfen. Und auf Twitter erhält man vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski täglich direkt die neuesten Updates zu den Kriegsverhandlungen.

Die unzähligen frei zugänglichen Quellen machen den Krieg allgegenwärtig – wie beeinflusst das die Kriegsführung und unsere Wahrnehmung darauf? Wie die Soziologie-Professorin Katja Rost sagt, könne Social Media den Anschein erwecken, dass die Menschheit von einer grossen Katastrophe in die nächste schlittere (siehe Box).

Laut Niklas Masuhr, Sicherheitsforscher am Center for Security Studies der ETH Zürich, führt Social Media zu einer transparenteren Kriegsführung: «Als Zivilist kann man heute deutlich mehr vom Krieg verfolgen, als dies noch vor wenigen Jahren möglich war. Man ist weniger auf klassische staatliche und journalistische Quellen angewiesen.» So konnten auch zivile Analysten, etwa dank frei zugänglichen Satellitenbildern, den russischen Aufmarsch an der Grenze und in unmittelbare Bereitschaftsräume nachvollziehen.

Informationsflut als Problem

«Die vielen Informationen seien zwar hilfreich, müssten aber erst zu einem Gesamtbild zusammengeführt werden», sagt Masuhr. Neben der Verifizierung der Quellen sei es auch ein grosses Problem, dass auf Social Media Algorithmen gewisse Daten an die Oberfläche der Timelines schwemmen, ohne auf die tatsächliche Relevanz des Inhalts zu schauen. «So können einzelne Fragmente dem User ein verzerrtes Gesamtbild ergeben.»

So ähnlich sei dies vergangenes Wochenende zu beobachten gewesen: «Menschen haben auf Social Media enthusiastisch Erfolgsmeldungen der Ukrainer verbreitet. Durch algorithmische Verstärkung ist somit möglicherweise ein aus ukrainischer Sicht rosigeres Bild der militärischen Lage in der Öffentlichkeit angekommen als gerechtfertigt gewesen wäre.»

Umgehung von russischer Propaganda

Dass der Krieg täglich mit Zigtausenden Bildern auf Social Media festgehalten werde, habe aber auch positive Seiten, sagt Julian Kamasa, Senior Researcher am Center for Security Studies der ETH Zürich: «Durch Social Media bietet sich die Chance, Kriegsverbrechen aufzudecken und Verantwortliche juristisch zur Rechenschaft ziehen zu können.» Russen könnten durch Social Media zudem die russische Propaganda teilweise umgehen, so Kamasa: «In den letzten Tagen gab es etwa Aufrufe, Orte wie Restaurants oder Sehenswürdigkeiten in Russland auf GoogleMaps zu bewerten, und in den Rezensionen die russische Bevölkerung auf die Situation in der Ukraine aufmerksam zu machen.»

Allerdings müsse man berücksichtigen, dass auch in Russland nicht alle Generationen dieselben Informationskanäle nutzen. «Ältere Personen tendieren zum Fernsehen und Radio als Informationsquelle, während die jüngere Generation auf Social Media unterwegs ist.» Die russischen Behörden könnten kritische Stimmen im digitalen Raum durch ein systematisches Blockieren einer Plattform daher zunächst zensieren. Werden die Proteste aber auch in der realen Welt ausgetragen, kann eine grosse Masse an Protestierenden auch in Russland nicht mehr so einfach wegzensiert werden.» Ob das passieren wird, werde sich zeigen.

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