So will die Taskforce des Bundes Risikopatienten bei einer zweiten Welle schützen

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Stigmatisierung von Senioren befürchtetSo will die Taskforce des Bundes Risikopatienten bei einer zweiten Welle schützen

Im Fall einer zweiten Corona-Welle will der Bund ältere Personen und Risikopatienten besser schützen. Dafür hat er eine wissenschaftliche Taskforce beauftragt. Die Massnahmen könnten jedoch Senioren stigmatisieren, befürchtet Pro Senectute.

Die Taskforce des Bundesrats stellt in einem Papier vor, wie sie Ältere besser schützen möchte. Sie schlägt vor, für Senioren Sonderräume im öffentlichen Verkehr zu schaffen.
Mit Terminfenstern und geschützten Räumen könnten Risikopatienten wieder vermehrt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Solche Schutzmassnahmen für eine bestimmte Personengruppe zu erlassen, könnte jedoch auch eine Stigmatisierung dieser mit sich bringen, wie die Pro Senectute befürchtet.
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Die Taskforce des Bundesrats stellt in einem Papier vor, wie sie Ältere besser schützen möchte. Sie schlägt vor, für Senioren Sonderräume im öffentlichen Verkehr zu schaffen.

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Darum gehts

  • Der Bund hat eine Taskforce beauftragt, Schutzmassnahmen für Risikogruppen auszuarbeiten, falls es eine zweite Corona-Welle gibt.
  • Dazu gehören Schutzräume und geregelte Einkaufszeiten für Ältere und Kranke.
  • ProSenectute befürchtet, dass diese Massnahmen die Risikopatienten stigmatisieren könnten.

Der Bund möchte ältere und kranke Personen im Fall einer zweiten Welle besser schützen. Eine wissenschaftliche Taskforce hat für Risikopatienten Massnahmen ausgearbeitet. Von der ProSenectute werden diese jedoch kritisiert. Sie befürchtet einer Ausgrenzung alter Menschen.

Die Taskforce des Bundesrats stellt in einem Papier vor, wie sie Ältere besser schützen möchte. Sie schlägt vor, für Senioren Sonderräume zu schaffen, beispielsweise «in öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften oder auf Spazierwegen» gewisse Räume «zeitlich oder örtlich» für über 65-Jährige und Risikopatienten zu reservieren.

Die vorgeschlagenen Massnahmen der klinischen Expertengruppe sollen die Personengruppe aber nicht von der Gesellschaft ausgrenzen, sondern sie soll weiterhin die Möglichkeit haben, «am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich gleichzeitig ausreichend schützen zu können».

«Manche Senioren haben Angst, nach draussen zu gehen»

«Auch wenn die Corona-Fallzahlen derzeit tief sind, muss man die Situation der Senioren besonders betrachten – gerade auch mit Blick auf eine mögliche zweite Welle», sagt Infektiologe Manuel Battegay vom Universitätsspital Basel gegenüber dem «Blick». «Manche Senioren haben immer noch Angst, nach draussen zu gehen», sagt Battegay. Mit Terminfenstern und geschützten Räumen könnten solche wieder vermehrt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

«Wieso nicht einen Rentner- statt Ruhewagen bei den SBB einführen, in dem auch Maskenpflicht gilt?», fragt Battegay. «Oder einen Senioren-Saal im Restaurant, wo die Tische weit auseinanderstehen und das Servicepersonal konsequent Schutzmasken trägt?» Eine erneute Abschottung von Risikogruppen müsse verhindert werden.

Hin und Her zwischen BAG und Unternehmen

Doch was hält die SBB von den Vorschlägen der Experten? Wie der «Blick» schreibt, sei die SBB grundsätzlich offen gegenüber solchen Massnahmen. «Sollte das BAG eine entsprechende Empfehlung abgeben, würde die ÖV-Branche das selbstverständlich prüfen.» Aber fürs BAG liegt die Verantwortung bei den Institutionen und Unternehmen, welche Massnahmen sie wie umsetzen wollen. Eine Stigmatisierung von Risikogruppen dürfe es durch die Schutzvorkehrungen aber nicht geben, so das BAG.

Laut der Pro Senectute, der Schweizerischen Fach- und Dienstleistungsorganisation für Altersfragen, könnten die Massnahmen genau das Gegenteil bewirken und Senioren ausgrenzen, statt sie an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Sonderzonen würden nur wenig Schutz bieten. Eine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr sei dem NGO zufolge die bessere Lösung. Doch wegen des Tragens einer Maske wurden ältere Menschen häufig beleidigt und mussten böse Blicke über sich ergehen lassen. Die Pro Senectute befürchtet, dass speziell für Senioren eingerichtete Schutzräume erneut Unmut in der Gesellschaft kreieren könnten.

Im Tessin hat die Generationentrennung funktioniert

Im Tessin hat man bereits Erfahrung darin, Generationen zu trennen, um Ansteckungen zu vermindern. Das kantonale Einkaufsverbot für über 65-Jährige wurde von der Regierung Anfang April erlassen – und wurde damals stark kritisiert. Das «Einkaufsfenster» bedeutete, dass Personen über 65 Jahren nur vor 10 Uhr einkaufen konnten. Die restliche Bevölkerung sollte den Läden in dieser Zeit fernbleiben.

Laut dem Lega-Regierungsrat Norman Gobbi wurde die Regelung in den meisten Fällen befolgt. «Viele ältere Menschen sind aber lieber ganz zu Hause geblieben und haben die Einkäufe durch Verwandte erledigen lassen.» Dem Regierungsrat zufolge würde ein «Einkaufsfenster» auch im Falle einer zweiten Welle von den Tessinern gutgeheissen werden.

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