Söldner«Zu Hause langweile ich mich» – Schweizer kämpft in der Ukraine
Jérôme, der eigentlich anders heisst, kämpfte bereits 2022 im Ukraine-Krieg. Nach einer Pause ist er jetzt wieder an der Front, obwohl das für Schweizer verboten ist. Was treibt ihn an?
Darum gehts
Im Ukraine-Krieg kämpfen derzeit auch schätzungsweise 2000 ausländische Soldaten.
Einer von ihnen ist Jérôme (37) aus der Westschweiz.
Trotz der Gefahr und den traumatischen Erfahrungen kehrte er nach einer Unterbrechung diesen Sommer in die Ukraine zurück.
Ein Schweizer kämpft im Ukraine-Krieg – allein dieser Satz wirft erstmal eine bestimmte Frage auf: Warum macht er das? Denn abgesehen davon, dass es laut Schweizer Militärrecht verboten ist, sich als Söldner einer ausländischen Armee in den Dienst zu stellen, riskiert man im Krieg täglich sein Leben. Doch das hielt Jérôme (Name von der SRF-Redaktion geändert) nicht davon ab, 2022 in die Ukraine zu ziehen. Und auch, wenn er mittlerweile wieder zu Hause in der Westschweiz ist, plant er schon wieder, an die Front zurückzukehren. Mit dem SRF sprach er über seine Erlebnisse im Ukraine-Krieg.
Der 37-Jährige ist Vater zweier Teenager, lebt aber nicht mehr mit seiner Familie zusammen. Als im Februar 2022 Russland die Ukraine überfiel, rief Selenski die Bürger des Westens auf, die ukrainische Armee bei der Verteidigung zu unterstützen. Fast niemand sah das als einen Aufruf, die Ukraine aktiv an der Front im Kampf gegen Russland zu unterstützen – Jérôme schon. Über das Internet vernetzt er sich mit anderen ausländischen Söldnern, im September 2022 reist er in die Ukraine und schliesst sich der Internationalen Legion für ausländische Kämpfer an. Nach der Zeit im Militär-Trainingslager wird er an die Front nach Luhansk geschickt.
Er sah seine Kameraden sterben
Bereits zwei Monate später zeigt der Krieg sein hässlichstes Gesicht: Zwei von Jérômes Kameraden sterben im Einsatz, direkt vor seine Augen. Als die Truppe durch ein vermintes Gebiet geht, löst ein Stolperdraht eine der Minen aus. Der Minenräumer, der vorausgegangen war, stirbt sofort. Ein anderer Kamerad, Daniel (35) aus Polen, wird schwer verletzt. «Daniel hat bei der Evakuierung die ganze Zeit geschrien. Zu sechst versuchten wir, ihn wiederzubeleben. Aber er hatte viele Minenkugeln in seinem Körper», erzählt Jérôme. Das alles passiert, während die Truppe beschossen wird.
Ende Januar 2023 wird es dem Schweizer zu viel – er kehrt in die Heimat zurück. Er selbst sagt über seinen Einsatz: «Man sollte sich das gut überlegen. Es ist ein Gemetzel und man ist gezwungen, einen Freund sterben zu sehen oder Tote zu sehen». Trotz diesen existenziellen, traumatischen Erfahrungen ist Jérôme diesen Sommer wieder in die Ukraine zurückgekehrt. «Ich gehe zurück, weil ich etwas aus meinem Leben machen möchte. Ich finde keine Arbeit. Zu Hause langweile ich mich», begründet er seine Entscheidung.
2000 Ausländer kämpfen derzeit für die Ukraine
Und Jérôme ist kein Einzelfall. Laut Kacper Rekawek, der am Internationalen Zentrum für Anti-Terrorismus (ICCT) forscht, seien heute etwa 2000 ausländische Kämpfer in der Ukraine im Einsatz. Seit Beginn des Krieges seien bereits 200 bis 250 von ihnen gestorben. Die Ukraine veröffentlicht keine Zahlen über ihre Söldner.
In der Schweiz ist es, wie bereits angedeutet, verboten, sich in den Dienst einer ausländischen Armee zu stellen. Geregelt ist dies im Artikel 94 des Militärgesetzes. Zuwiderhandlungen werden mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft. Derzeit laufen sieben Verfahren gegen Schweizer, die sich in den Dienst der Ukraine stellten.
Beschäftigt dich oder jemanden, den du kennst, der Krieg in der Ukraine?
Hier findest du Hilfe für dich und andere:
Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine (Staatssekretariat für Migration)
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Kriegsangst?, Tipps von Pro Juventute
Beratungsangebot (Deutsch, Ukrainisch, Russisch), von Pro Juventute
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Anmeldung und Infos für Gastfamilien:
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tel. 058 105 05 55
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