Überraschender EM-Verzicht von Nati-Star Alisha Lehmann wirft Fragen auf

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Sie ist «mental nicht bereit»«Sollte Privileg sein» – Nati-Coach spricht über EM-Verzicht von Alisha Lehmann

Dass ein Nati-Star kurz vor der EM freiwillig für das Turnier absagt – das ist eine Riesen-Überraschung. Nati-Coach Nils Nielsen sagt: «Es sollte ein Privileg und ein Bonus sein, für das eigene Land zu spielen.»

Alisha Lehmann wird erstmals nicht für die Schweizer Nati auflaufen. 
Das gab Lehmann am Montagnachmittag bekannt. 
Über die Gründe wird derzeit spekuliert. 
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Alisha Lehmann wird erstmals nicht für die Schweizer Nati auflaufen. 

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Darum gehts

Es ist eine Hammer-Meldung. Alisha Lehmann verzichtet freiwillig auf die Frauenfussball-EM diesen Sommer. Sie sei «mental nicht bereit», lässt sie sich in der Medienmitteilung des Verbands zitieren. Und: «Es ist ein persönlicher Entscheid.»

Die Offensivspielerin legt also eine Nati-Pause ein – kurz vor einem Riesen-Highlight im Frauenfussball. Mehr noch: Die EM in England wäre Lehmanns erste Teilnahme an einem grossen Turnier gewesen. Im Exklusiv-Interview mit 20 Minuten vergangenen Sommer meinte die 23-Jährige noch, dass sie eine erfolgreiche EM bestreiten wolle. Und nun das freiwillige Aus.

Entkommen oder Zuvorkommen?

Hat sie mentale Probleme, wie manche Medien den Satz «mental nicht bereit» interpretieren? Fehlt ihr wegen fehlender Nati-Spielzeiten die Motivation? Kam sie mit ihrem Entscheid einer Ausbootung zuvor? Oder braucht sie einfach nach einer langen Saison Abstand vom Fussball?

Lehmann selbst will sich nicht weiter zu ihrem Entscheid äussern. Das bestätigen der Schweizerische Fussballverband und ihr Management auf Anfrage von 20 Minuten. Auch auf Instagram, wo sie ein absoluter Mega-Star (7,5 Millionen Follower und Followerinnen) ist, gibt es kein Statement zu ihrem Nati-Aus.

Derzeit weilt die 23-Jährige im Urlaub. 
Der Fussball-Star hat auf Insta 7,5 Millionen Follower und Followerinnen. 
Den Urlaub verbringt sie mit ihrem Freund, dem Aston-Villa-Star Douglas Luiz.
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Derzeit weilt die 23-Jährige im Urlaub. 

Instagram/alishalehmann7

«Willst du mich heiraten?»

Dafür postet die 23-Jährige Fotos aus ihrem Urlaub. Sie sonnt sich am Pool und geniesst mit ihrem Freund, dem Aston-Villa-Profi Douglas Luiz, die Zeit am Strand. Luiz schreibt am Dienstag unter dem gemeinsamen Foto: «Willst du mich heiraten?» Am Mittwoch ist die Frage gelöscht. Ein Scherz also oder ernstgemeint? Unklar. Genauso wie die Gründe für ihr Fernbleiben an der EM.

Den Fans auf Twitter und in den Kommentarspalten von 20 Minuten bleibt nur das Rätseln. Viele bedauern den Entscheid, ebenso viele sind der Meinung, dass ihr Aus kein Verlust sei. Ein User meint etwa: «Das ist gut so. Ich habe nie verstanden, dass sie aufgeboten wurde.» Ein anderer kontert und lobt sie für den Entscheid: «Wenn jemand offen sagt, dass er mental nicht bereit ist, ist das eine Stärke!»

Zuletzt sass sie auf der Nati-Bank

Bei Aston Villa stand Lehmann von 22 Ligaspielen 21 Mal in der Startelf, im Cup war sie ebenso gesetzt. Die Schweizerin war unbestrittene Stammspielerin (vier Tore, drei Assists) – und Liebling der Fans: Am Ende wurde die Bernerin zum «Supporters Player of the Year» gewählt. Aber: Sie hat – wie ihr Verein auch – keine gute Saison hinter sich. Villa beendete die Spielzeit auf Platz neun von zwölf. Nur sechs Mal gab es einen Sieg, der Club schoss 13 Tore, kassierte 40. Das Team schaffte in der Women’s Super League nie mehr als zwei Treffer in einem Spiel.

Und auch bei der Nati war sie zuletzt keine Leistungsträgerin mehr. Beim so wichtigen Spiel gegen Italien (0:1) im April musste sie 90 Minuten auf der Bank schmoren. Im Spiel zuvor durfte sie gegen Rumänien immerhin während 61 Minuten ran. Ihren letzten Pflichtspieltreffer für die Nati schoss Lehmann im letzten Herbst beim 6:0-Sieg gegen Moldawien. Insgesamt lief sie 33 Mal für die Schweiz auf, ihr gelangen sechs Tore.

Kam sie mit ihrem Entscheid etwa einer Ausbootung aus der Nati zuvor? Darauf angesprochen meint Nati-Coach Nils Nielsen gegenüber 20 Minuten: «Seit ich das Schweizer Team übernommen habe, gehört Alisha dazu. Sie ist eine Waffe mit ihrer Schnelligkeit und Qualität, aber es gibt im Fussball keine Garantien.» Das Aufgebot werde am 21. Juni bekannt gegeben. «Niemand wird vorher ausgewählt.»

Auch der Trainer ist überrascht

Über den freiwilligen Verzicht sei er sehr überrascht gewesen. Nielsen: «Es sollte ein Privileg und ein Bonus sein, für das eigene Land zu spielen und keine Verpflichtung. Selbstverständlich respektiere ich den Entscheid von Alisha. Alle müssen sich zu 100 Prozent bekennen, um in England eine Chance zu haben.» Es sei daher besser, so der Däne, dass sie es jetzt mitgeteilt habe.

Hat sich Lehmann denn mehr Einsatzminuten als zuletzt erhofft? «Ich habe nie eine Spielerin oder einen Spieler gecoacht, der glücklich ist, wenn er oder sie auf der Bank sitzt. Da ist Alisha keine Ausnahme», so der 50-Jährige. Er hält aber fest, dass Lehmann ein Profi sei, seine Entscheidungen akzeptiert und dem Team immer geholfen habe.

«Die Türen bleiben offen»

Darauf angesprochen, ob Lehmann mentale Probleme habe, sagt der Coach: «Ich habe davon keine Kenntnis.» Nielsen schaut nach vorne. Er konzentriert sich voll auf die EM, bei der die Schweiz auf Portugal (9. Juli), Schweden (13. Juli) und die Niederlande (17. Juli) trifft. Die Vorfreude sei enorm, so der Trainer.

Über eine mögliche Lehmann-Rückkehr denkt er im Moment nicht nach, sagt aber: «Die Türen bleiben offen, sofern der Zeitpunkt für alle stimmt.» Das Rätselraten um Alisha Lehmann wird wohl weitergehen. Denn dass ein Nati-Star so kurz vor einem wichtigen Turnier das Aus bekannt gibt, bleibt ungewöhnlich – und eine Hammer-Meldung.

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