Sollten wir jeden Freitag freihaben?

Aktualisiert

4-Tage-WocheSollten wir jeden Freitag freihaben?

Weniger arbeiten für den gleichen Lohn führt zu mehr Produktivität und spart Strom. Doch die 4-Tage-Woche kann auch mehr Stress bedeuten.

von
B. Scherer
In Japan hat Microsoft den Arbeitern für 5 Wochen jeweils am Freitag freigegeben.
Das Resultat: Die Arbeiter waren zufriedener und die Produktivität stieg um 40 Prozent. Auf dem Foto: Takashi Hirano, Chef des Rechtsdienstes von  Microsoft Japan.
Es stellt sich die Frage: Ist die 4-Tage-Woche die Zukunft für den weltweiten Arbeitsmarkt?
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In Japan hat Microsoft den Arbeitern für 5 Wochen jeweils am Freitag freigegeben.

epa/Everett Kennedy Brown

Einen Tag weniger arbeiten für den gleichen Lohn – ein Wunschtraum? Nicht ganz: In Japan ist das für Microsoft-Angestellte Alltag geworden – für fünf Wochen. Das Unternehmen hat diesen Sommer den Versuch einer 4-Tage-Woche lanciert. Rund 2300 Arbeitnehmer hatten fünfmal freitags frei und erhielten weiterhin den gleichen Lohn.

Nicht nur die Zufriedenheit der Arbeiter stieg, auch die Produktivität nahm in dieser Zeit um rund 40 Prozent zu. Gleichzeitig sanken die Stromkosten um ein Fünftel und es wurde fast 60 Prozent weniger gedruckt. Somit lohnte sich das Unterfangen auch für Microsoft, wie das Nachrichtenportal «Mashable» schreibt.

Ist die 4-Tage-Woche die Zukunft für den weltweiten Arbeitsmarkt? Nicht unbedingt, sagt Michael Siegenthaler, Arbeitsmarktökonom der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich: «Nur weil die Produktivität der Arbeiter steigt, heisst das nicht, dass die Wertschöpfung der Firma insgesamt wächst.» Denn je mehr Stunden ein Unternehmen produzieren kann, desto mehr Ertrag entsteht. Das heisst: Schlussendlich zählt die Anzahl Arbeitsstunden.

Stress darf nicht steigen

Doch nicht nur aus Sicht der Unternehmen könnte eine 4-Tage-Woche kritisch sein. Laut der Arbeitspsychologin Nicola Jacobshagen könnte bei einer kürzeren Arbeitswoche das Stresslevel rasch ansteigen: Wenn Arbeitnehmer in vier Tagen gleich viel leisten müssen wie sonst in fünf Tagen, könnten viele innerhalb von einem Jahr ausbrennen und arbeitsunfähig werden. «Deshalb braucht es Langzeitstudien zu diesem Thema», so Jacobshagen.

Zudem könne eine verkürzte Arbeitswoche nicht in jeder Branche eingeführt werden: Zum Beispiel in Spitälern oder bei der Polizei herrschen andere Arbeitsbedingungen als bei Microsoft. «Eine 4-Tage-Woche könnte in manchen Branchen nur mit mehr Personal ermöglicht werden.»

Siegenthaler von der KOF leuchtet es ein, dass gerade ein Unternehmen wie Microsoft ein solches Experiment startet: «Firmen, die freiwillig eine verkürzte Arbeitswoche einführen, dürften sich das aus Produktionsgründen eher leisten können», so Siegenthaler. Auch ziele das Unternehmen möglicherweise darauf ab, mit attraktiveren Arbeitsbedingungen bessere Arbeitskräfte zu gewinnen.

Zu hohe Lohnkosten

In vielen Branchen sei eine Reduktion der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn finanziell aber nicht tragbar, «weil die Lohnkosten pro Stunde steigen.» Aus diesem Grund habe etwa die Massnahme in Frankreich, die Arbeitswoche auf 35 Stunden zu senken, nicht wie erhofft die Anzahl der Beschäftigten erhöht: «Um Kosten zu senken, haben Firmen Arbeitskräfte mit Maschinen ersetzt oder neue Standorte im Ausland aufgebaut.» Also ist es sogar zu mehr Arbeitslosigkeit gekommen.

Viele Arbeitgeber dürften nur dann für eine 4-Tage-Woche zu haben sein, wenn die Arbeitnehmer das Pensum und den Lohn reduzieren. «Doch viele wollen nicht auf 20 Prozent ihres Lohns verzichten», so Siegenthaler.

Nicht abzustreiten ist laut Arbeitspsychologin Jacobshagen hingegen der positive Effekt eines langen Wochenendes auf die Gesundheit der Arbeitnehmer: «Wer einmal im Monat ein langes Wochenende macht, ist erholter und motivierter für die Arbeit», so die Expertin. Wichtig sei dabei, dass an dem Wochenende auch keine Haushaltsarbeiten geleistet werden müssten und man keine Kinder oder ältere Verwandte betreuen müsse. Für viele sei dies aber schlicht nicht umsetzbar.

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