SRF Arena – Kann nur Kernkraft einen Blackout verhindern? 

Publiziert

SRF ArenaKann nur Kernkraft einen Blackout verhindern?

In der «Arena» vom Freitag wurde hitzig über die drohende Stromknappheit in der Schweiz diskutiert. Links-Grün setzt auf Solarenergie, während Mitte-Rechts das Neubauverbot von Atomkraftwerken aufheben will. 

Mit einer Simulation des Worst-Case-Szenarios hat Sandro Brotz die «Arena» eröffnet. 
Er wollte wissen: «Stromlücke schliessen – aber wie?»
Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen wird am Samstag seiner Partei ein Arbeitspapier zur Aufhebung des Erforschungsverbots neuer Technologien im Bereich der Kernkraft unterbreiten. 
1 / 6

Mit einer Simulation des Worst-Case-Szenarios hat Sandro Brotz die «Arena» eröffnet. 

Screenshot SRF

Darum gehts

Der Bund macht vorwärts im Ausbau von nachhaltigen Energiequellen. Mit dem Ja zum Energiegesetz im Jahr 2017 hat das Schweizer Stimmvolk 2017 entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen. Doch können Wasser-, Wind- und Sonnenenergie die drohende Stromlücke schliessen? Eine Diskussion, die nicht erst seit gestern stattfindet. Befeuert durch die Angst, dass der Schweiz im schlimmsten Fall ab 2025 wortwörtlich der «Pfupf» ausgehen wird, finden Forderungen nach Atom- und Gaskraftwerken wieder Gehör.

Sandro Brotz stellte diese Frage seinen Gästen in der «Arena» und eröffnete die Sendung sogleich dramatisch ohne Licht aber mit Taschenlampe, um danach in die Frage überzuleiten, wie denn der Blackout verhindert werden könne.

SVP-Stromgeneral soll es im UVEK richten 

Für Roger Nordmann, Fraktionschef der SP, steht fest, dass noch mehr Investitionen gemacht werden müssen, um die Wasser- und Solarenergie voranzutreiben. Etwas anders sieht es der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark: Es sei bereits zu spät und die Schweiz befinde sich auf dem Weg in ein «Fiasko». Laut «Blick» soll er bereits einen Vorstoss im Nationalrat eingereicht haben, der «den Bundesrat dazu verpflichten soll, aufzuzeigen, was es zum Bau von einem oder mehreren neuen Atomkraftwerken in der Schweiz braucht».

Für Imark steht fest: «Das UVEK und allen voran Simonetta Sommaruga (SP) hat bei der Umsetzung der Strategie für eine erfolgreiche Energiewende versagt». Auch SVP-Doyen Christoph Blocher verlangte unlängst einen unabhängigen «Stromgeneral», der es richten soll. Im Gespräch mit Brotz pflichtet ihm Imark bei: Es fehle an «schonungslosen» Analysen, um das «Fiasko, auf das wir zusteuern» zu verhindern.

Für Grüne-Vizepräsidentin Florence Brenzikofer ist das reine Schwarzmalerei. Sie plädiert für Speicher-Wasserkraftwerke zusammen mit Solarenergie. Als zusätzliche Massnahme kämen Verträge mit Stromversorger aus dem Ausland auf den Plan. Für den Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen ist die Problematik aber viel grösser: Der Ausfall eines Drittels des Schweizer Stromes in rund zwölf Jahren, weswegen seiner Meinung nach, «im UVEK niemand mehr ruhig schlafen» sollte.

Bisher sind nur zwei neue Windkraftanlagen gebaut worden

Weil auch hier von Mitte-Rechts wieder Kritik an Sommarugas Departement und an ihr selbst verübt wird, erhält das Wort SP-Nordmann, welcher etwas entnervt die Strategie seiner Bundesrätin verteidigt und kontert, dass nun einfach «gebaut, gebaut, gebaut» werden müsse. Das grösste Potenzial sei in der Solarenergie und bei den Speicherungen der Wasserkraft. Wasserfallen nennt ihn daraufhin «realitätsfremd» und kritisiert den fehlenden Neubau von Windpärken: Man bringe sie unter anderem wegen Einsprachen von Naturschützern und Naturschützerinnen nicht ans Netz. Brotz klärt auf: Bisher sind nur zwei neue Windpärke gebaut worden.

Wer die «Arena» am Freitag mitverfolgt, stellt schnell fest, dass sich die zwei Fronten verhärten, wenn es darum geht, wie viel Strom die Schweiz bis wann braucht. Was auch von Imark immer wieder kritisiert wird: «Man solle aufhören, über Peanuts zu reden und anfangen zu analysieren». Die Lösung bringt eine SRF-Grafik des Schweizer Kompetenzzentrums für Energieforschung: Konkret braucht die Schweiz bis 2050 fast die Hälfte mehr Strom wie jetzt.

Wir werden in rund 30 Jahren unseren Stromverbrauch wegen der Elektrifizierung verdoppeln.

Wir werden in rund 30 Jahren unseren Stromverbrauch wegen der Elektrifizierung verdoppeln.

Screenshot SRF

Atom-Freund Imark ergreift das Wort und bezichtigt seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, sie würden Luftschlösser bauen. Man solle jetzt der Realität ins Auge sehen und ausrechnen, wie viel Strom wann gebraucht würden. Dann greift er in sein Stehpult und erklärt mit einer ausgedruckten Grafik, dass Photovoltaik nicht ausreichen wird, um den Strombedarf zu decken. Dem pflichtet auch Wasserfallen bei und sagt, dass es an einem Back-up-Plan fehle. Die Winterversorgung sei somit nicht gewährleistet.

Screenshot SRF

Er fügt an, dass es sich bei Nordmanns Lösungsvorschläge so verhalte «wie beim Kommunismus: Es funktioniert nur auf dem Papier», worauf dieser kontert, dass der «Kommunismus am AKW in Tschernobyl gescheitert» sei. Er nennt Imarks Argumentation zudem «Empörungsbewirtschaftung» und lenkt ein: Es gehe doch schlussendlich um die Sache. Bevor sich die Diskussion dann anfängt, in Details der Umsetzung der Energiestrategie zu verlaufen, lenkt Brotz das Thema auf die Kernenergie.

War es ein Fehler, den Bau von Atomkraftwerken zu verbieten? 

Nein, sagt Nordmann. Doch spiele diese Frage weniger eine Rolle, als dass, wenn das Verbot gekippt werden würde, es schon nur fünf Jahre bis zu einer möglichen Abstimmung dauern würde. Wegen weiteren Gesetzesbestimmungen hätte man frühestens 2050 die erste Kilowatt-Stunde. Damit scheint diese Diskussion für Nordmann gegessen. Er nennt sie «Scheindebatte».

FDP-Intern scheint Unstimmigkeit betreffend den Wiedereinstieg in die Atomenergie zu herrschen. Bisher konnte keine parteiinterne Formulierung gefunden werden. Am Samstag soll an der DV der Entscheid fallen. Wasserfallen betont: Er sei für eine Aufhebung des Technologieverbots, um eine «vierte Generation» der Kernenergie zu erforschen und zu entwickeln. Christoph Brand, der CEO der Axpo, fügt an, dass es bei der aktuellen Generation der Kernkraftwerken sowieso schwierig wäre, ein Unternehmen zu finden, dass die finanziellen Risiken tragen würde. Sie seien schlichtweg zu teuer. Brenzikofer ist der Meinung, eine neue AKW-Debatte würde die echte Energiewende nur ausbremsen.

Das Schlusswort hat die Slam-Poetin Patti Basler: Mit ihren politisch geladenen Wortspielen bringt sie von «Links» nach «Rechts» alle zum Lachen: Spätestens jetzt herrscht doch noch Konsens.

My 20 Minuten

Deine Meinung zählt

171 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen