Sascha Ruefer: «Der Blitzableiter der Nation»

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SRF-MannNach Shitstorm: «Ruefer ist der Blitzableiter der ganzen Nation»

Im Spiel gegen Schottland kann Sascha Ruefer sich einen Seitenhieb gegen Gerhard Pfister nicht verkneifen. Wieso polarisiert Ruefer so – und was macht das mit ihm? Ein Psychotherapeut ordnet ein.

SRF-Kommentator Sascha Ruefer ist bekannt für überschwängliche Jubeleinlagen bei Erfolgen der Schweizer Nati: Seine Freude über den Sieg beim Achtelfinal gegen Weltmeister Frankreich an der EM 2021 hat schon fast Kultstatus.
Auch an der EM in Deutschland kommentiert Ruefer die Spiele der Nati.
Shaqiris Traumtor bejubelte Ruefer natürlich laut.
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SRF-Kommentator Sascha Ruefer ist bekannt für überschwängliche Jubeleinlagen bei Erfolgen der Schweizer Nati: Seine Freude über den Sieg beim Achtelfinal gegen Weltmeister Frankreich an der EM 2021 hat schon fast Kultstatus.

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Darum gehts

  • Kommentator Sascha Ruefer konnte sich im Spiel gegen Schottland einen Seitenhieb gegen Mitte-Präsident Gerhard Pfister nicht verkneifen.

  • Der Stil des SRF-Manns sorgte schon oft für hitzige Debatten im Land und löste auch jüngst einen kleinen Shitstorm aus.

  • Psychotherapeut Roland Weber erklärt, Ruefer sei zum Blitzableiter für gesellschaftliche Spannungen geworden – er reagiere aber geschickt auf die Kritik.

Es läuft die 34. Minute im Spiel gegen Schottland. Dan Ndoye kommt nach einem Eckball zum Abschluss, trifft. «Tooooor», schreit Kommentator Sascha Ruefer. Um sich gleich darauf zu ärgern, weil das Tor wegen «millimeterknappem» Abseits nicht zählt. Wenig später schiebt er nach: «Wir sind wieder emotional unterwegs. Im Grossraum Zug möge man mir das verzeihen.»

Wer die Vorgeschichte nicht kennt, mag kurz irritiert gewesen sein. Wer sie kennt, weiss: Ruefer konnte sich einen Seitenhieb gegen Mitte-Präsident Gerhard Pfister nicht verkneifen. Dieser hatte ihn Tage zuvor auf X angegriffen, seine «Gebrüll-Performance» kritisiert und SRF geraten, ihn doch auszuwechseln oder ihm zumindest einen «kompetenten Co-Kommentator» zur Seite zu stellen. Es folgte ein zweitägiges «Shitstörmli», Ruefers Stil wurde im ganzen Land diskutiert.

«Man liebt ihn, oder man hasst ihn»

Roland Weber führt eine Praxis für Psychotherapie in Luzern. Er sagt: «Sascha Ruefer ist ein Medienprofi, Gerhard Pfister ein Politprofi. Sie beide wissen, wie man Aufmerksamkeit kriegt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ruefer sich nicht vor dem Spiel schon Gedanken gemacht hat über die Diskussion und die Frage, ob und wie er darauf reagieren soll.» Trotzdem lebe Ruefer auch von seiner Spontanität.

Der Kommentator polarisiere, er spalte die Gesellschaft in zwei Lager: «Man liebt ihn, oder man hasst ihn. Er triggert die Menschen.» Das löse eine Gruppendynamik aus und es könne zum Sündenbock-Mechanismus kommen. «Sein Geschrei lässt die Menschen nicht kalt, sie reagieren klassisch mit fight oder flight darauf: Wer kämpfen will, äussert sich öffentlich abschätzig über Ruefer, wer fliehen will, wechselt auf einen anderen Sender.»

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Trotz Kritik: Viele feiern Sascha Ruefer

Viele feiern Ruefer für seinen Stil. Das zeigt eine Umfrage von 20 Minuten, an der mehr als 30’000 Menschen teilgenommen haben: 46 Prozent sagen, sie hörten am liebsten Ruefer zu. Doch die negativen Stimmen sind lauter, in den Kommentarspalten und auf Social Media dominieren sie.

Mit einem Shitstorm «richtig» umzugehen, ist laut Weber nicht ganz einfach: «Wehrt man sich, ist dies einerseits ein Selbstschutz, man giesst aber gleichzeitig mehr Öl ins Feuer, was noch mehr Gegenreaktionen erzeugen kann. Oft eskaliert eine Situation so weiter. Sagt man gar nichts und versucht, Gras über die Sache wachsen zu lassen, kann das die ‹hater› darin bestärken, dass man ja über das Opfer herziehen kann.» Insofern hat Ruefer für Weber einen guten Ansatz gewählt: «Er hat dezent zurückgegeben, signalisiert, dass es Grenzen gibt, ohne dabei komplett zu eskalieren.»

«Viele sind gestresst und einsam»

Auch Pfister ist nicht mehr auf Eskalationskurs. Gegenüber 20 Minuten sagt er, er habe das zweite Spiel der Schweiz fast ausschliesslich auf RSI gehört und könne darum nichts zu Ruefers Kommentar sagen. «Das Medienecho auf meinen Tweet finde ich aber schon etwas übertrieben», fügt er an.

Weber sieht denn auch noch eine weitere Ebene im ganzen Streit rund um Sascha Ruefer: «In der Gesellschaft gibt es derzeit viele Spannungen. Einsamkeit, Stress und Existenzängste plagen viele Menschen, gerade die Jungen. So etwas entlädt sich dann oft an einzelnen polarisierenden und exponierten Persönlichkeiten. Sascha Ruefer ist so gesehen der Blitzableiter der ganzen Nation.»

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