Wegen eigener Streamingplattform - SRG bodigt 14-Tage-Replay

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Wegen eigener StreamingplattformSRG bodigt 14-Tage-Replay

Für 2022 hat sich die Branche auf neue Replay-Regeln geeinigt. Im letzten Moment konnte die SRG einen entscheidenden Punkt kippen.

Replay-TV ist in der Schweiz beliebt.
Im Streit um Werbung und Replay hat die Branche vor einem Jahr einen Kompromiss geschlossen.
Die SRG war damit aber nicht einverstanden. Sie störte sich daran, dass Nutzerinnen und Nutzer 14 Tage im Programm hätten zurückspulen können.
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Replay-TV ist in der Schweiz beliebt.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Eigentlich hatte sich die Branche auf einen Kompromiss geeinigt.

  • Konsumenten darf Zwangswerbung vorgesetzt werden, dafür können sie aus einem breiteren Programm auswählen.

  • Am 14-Tage-Replay störte sich die SRG. Sie konnte den umstrittenen Punkt nun kippen.

Zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer nutzen ihr TV-Angebot zeitversetzt. Sie sitzen also nicht mehr um 19.30 Uhr vor dem Fernseher, um sich die «Tagesschau» anzusehen, sondern schalten die Replay-Funktion ihres Anbieters an und haben so Zugang zu allen Sendungen aus den letzten sieben Tagen.

Den TV-Sendern war die Replay-Funktion auf Swisscom TV und Co. stets ein Ärgernis: Da dort Nutzerinnen und Nutzer unliebsame Werbung überspulen können, gingen den Sendern Millionen an Werbegeldern verloren. Deshalb hätten sie die Replay-Funktion am liebsten gesetzlich eingeschränkt. Da das Parlament dazu aber nicht Hand bot, musste eine andere Lösung her.

Diesen «zukunftsweisenden» Kompromiss präsentierten TV-Sender, Verbreiter wie die Swisscom, Salt und UPC sowie Verwertungsgesellschaften vor einem Jahr. Der Kern der Vorlage: Wer das Replay-Angebot nutzen und Werbung gezielt überspringen will, bekommt Zwangswerbung ausgespielt – ausser er ist bereit, für ein werbefreies Angebot mehr zu zahlen. Im Gegenzug profitiert der Konsument oder die Konsumentin davon, dass man neu aus einem 14-Tage-Replay-Programm auswählen kann (siehe Box).

SRG kippt längeres Replay

Jetzt zeigt sich: Die 14-Tage-Regel konnte die SRG kürzlich noch kippen. In der finalen Version, die die Eidgenössischen Schiedskommission für Urheberrechte am 10. Mai verabschiedet hat, heisst es: «Die maximale Aufzeichnungsdauer für programmbezogene Aufzeichnungen beträgt 30 Stunden oder 7 Tage.»

Damit erringt die SRG einen wichtigen Sieg: Sie hatte bereits im Oktober 2020 Beschwerde gegen die 14-Tage-Regel eingereicht. Mit der angepassten Einigung sind die Klagen der SRG nun vom Tisch, wie SRG-Sprecher Edi Estermann bestätigt: «Die Einigung beinhaltet die Erledigung aller hängigen Rechtsvorkehren der SRG und der übrigen TV-Sender.»

Angst um «Play Suisse»

Dass sich die öffentlich-rechtliche Anstalt so vehement gegen den Replay-Kompromiss wehrte, liegt am eigenen Prestige-Projekt «Play Suisse». Die Streaming-Plattform hat die SRG im Winter 2020 lanciert. Sie bietet Filme, Serien und Dokumentationen aus allen Landsesteilen. Die SRG befürchtete, dass die längere Replay-Frist die eigene Streamingplattform gefährdet hätte.

«Die Erhöhung auf 14 Tage hätte für die SRG das Risiko beinhaltet, von Rechtegebern künftig abgestraft zu werden, weil diese der SRG Rechte nur zu höheren Preisen oder gar nicht mehr verkauft hätten», so Estermann. Heisst: Swisscom TV und Co. hätten günstig SRG-Programme verbreiten können, wegen des 14-Tage-Replays hätte die SRG für Einkäufe etwa von Filmen und Serien aber tiefer in die Tasche greifen müssen.

Vordergründig geben sich mit der nun verabschiedeten Lösung alle zufrieden. Hinter vorgehaltener Hand gibt es aber Kritik am Manöver der SRG. Es ist die Rede vom «Rohrkrepierer» Play Suisse und einer SRG, die mit Machtspielen die eigene Stellung verteidigt.

60’000 TV-Stunden

Edi Estermann will davon nichts wissen: «Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, das Verbreitern erlaubt, die Programme der Sender ohne deren Einwilligung auch zeitversetzt mit Replay TV anzubieten.» Konkret stehe den Abonnentinnen und Abonnenten von Replay-TV wie bisher während sieben Tagen nach der Ausstrahlung ein attraktives Replay-Angebot mit 60'000 TV-Stunden von rund 300 Sendern zur Verfügung. Das sei im europäischen Vergleich ein einmaliges Angebot.

Zwangswerbung ab 2022

Die Zwangswerbung bekommen die Nutzer und Nutzerinnen entweder als Start-Werbung von einigen Sekunden, als kurze Spots beim Überspulen oder als Display-Werbung beim Drücken des Pausenknopfs zu sehen.

Dieses Konzept blieb in der definitiven Einigung unangetastet. Die Lösung sieht vor, dass TV-Sender und Verbreiter Zwangswerbung schalten können, dafür aber die Option zum Vorspulen und Ad-Skipping anbieten können. Ob sie dies auch nutzen, bleibt ihnen überlassen. Sender und Verbreiter arbeiten derzeit an entsprechenden Abos. Möglich wäre etwa ein günstiges Abo, bei dem dafür viel Werbung geschaltet wird oder ein teureres Abo, bei dem der Konsument oder die Konsumentin dann gar keine Werbung anschauen muss.

Wie es bei den Programmen der SRG aussehen wird, ist noch unklar. Derzeit laufen Gespräche. Ob jemand, der SRF auf einem Replay-Angebot bei einem TV-Anbieter schaut, Zwangswerbung ausgespielt bekommt, ist deshalb noch offen.

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