Waldrapp in NötenStark abgemagert – Shorty muss in Pflege
Waldrappdame Shorty wurde abgemagert und geschwächt nahe einer Wohnsiedlung gefunden. Jetzt soll sie im Tierpark Goldau aufgepäppelt werden.
Der Winter in der Schweiz bekommt dem Waldrapp-Weibchen Shorty offenbar doch nicht so gut. Das frostige Wetter setzt ihr sichtbar zu: Am Samstag wurde die Vogeldame «auffällig nahe bei Häusern» in Jonen AG gesichtet, schreibt Hannes von Hirschheydt von der Vogelwarte Sempach auf ornitho.ch. Sie liess sich von einem Anwohner greifen, der sie schliesslich in die Pflegestation der Vogelwarte brachte.
«Shorty wurde diesen Winter schon früher nicht allzu weit von Wohnsiedlungen entfernt gesichtet», sagt von Hirschheydt. Aussergewöhnlich sei jedoch, dass der Vogel sich am Samstag so einfach ergreifen liess – immerhin hatten sich vor zwei Jahren Mitarbeiter des österreichischen Projektes zur Wiederansiedlung des Waldrapps vergeblich bemüht ihn einzufangen. «Das ist ein Zeichen dafür, dass der Waldrapp geschwächt ist. Sonst wäre er sicher davon geflogen.»
Momentan in Quarantäne
Der Zustand des Vogels deutet darauf hin, dass er nicht ausreichend Nahrung findet. Für von Hirschheydt ist das nachvollziehbar: «Die Situation wurde für ihn schwierig. Seit ein paar Tagen liegen die Temperaturen dauernd unter Null und der Boden gefriert immer mehr.» Da sich Shorty ihre Nahrung aus dem Boden holt, wurde ihre Essensversorgung knapp.
Eine erste Untersuchung an der Vogelwarte ergab, dass der Vogel stark abgemagert ist. Deshalb entschieden die Verantwortlichen, Shorty dem Tierpark Goldau zu überlassen, da dort Artgenossen gehalten werden und der Betrieb besser für die Pflege von Waldrappen eingerichtet ist.
Dort wird Shorty jetzt gründlich untersucht. «Als er zu uns kam, war sie abgemagert und etwas schwach, sonst ging es ihr aber gut», sagt Parktierarzt Martin Wehrle. Trotzdem befindet sich die Waldrappdame vorerst noch in Quarantäne. Sobald es ihr besser gehe, entscheide der zuständige Projektleiter, ob Shorty nun doch noch zwangsversetzt wird oder in der Schweiz bleiben darf.
«Vögel schauen vorwärts»
Bei den momentanen Verhältnissen wird das Nahrungsangebot für das Waldrapp-Weibchen aber weiterhin spärlich bleiben. Laut Wehrle ist nicht nur der gefrorene Boden, sondern auch die Schneedecke mit schuld an Shortys momentanem Zustand. Denn für die Futtersuche müsse der Boden freiliegen.
Shorty wurde bekannt, weil sie den Winter lieber in der Schweiz verbringt, anstatt mit ihren Artgenossen in die Toskana zu fliegen, wo diese die kalte Jahreszeit aussitzen. Heuer entschieden sich die Experten – im Gegensatz zum Vorjahr – gegen eine Zwangsversetzung und liessen den Waldrapp bleiben. Lernen wird Shorty aus ihrer Notsituation kaum. «Ein einzelner Vogel kann aus einem Misserfolg keine neue Überlebensstrategie entwickeln», sagt Wehrle. «Das ist nur über Generationen hinweg möglich.»