«Statt AKWs braucht es Tausende Batterien»

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Energiewende«Statt AKWs braucht es Tausende Batterien»

Batterien werden bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielen. ETH-Forscher Andreas Ulbig erklärt, was die Stromspeicher der Zukunft leisten können.

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pam
«Weil durch den Ausbau der erneuerbaren Energien wie etwa von Solarstrom die Energieproduktion unberechenbarer wird, braucht es neue Speichermöglichkeiten», sagt ETH-Forscher Andreas Ulbig. Er rechnet darum damit, dass gleichzeitig mit dem Ausbau der Solarenergie Hausbatterien wie etwa jene von Tesla gefragt sein werden.
Die Hausbatterien sollen dabei helfen, das Stromnetz zu entlasten, denn wenn alle Solaranlagen an einem Sonnentag ihren Strom direkt einspeisen würden, könnte das Stromnetz kollabieren. Vernetzte Batterien können dafür sorgen, dass ein Teil des Stroms zwischengespeichert wird und zum richtigen Zeitpunkt ins Netz fliesst.
Zurzeit sind Batteriespeicher noch teuer. Die grösste Batterie der Schweiz etwa kostete zwei Millionen Franken. Andreas Ulbig rechnet jedoch damit, dass die Preise fallen werden: «In den letzten zehn Jahren hat sich die weltweite Batteriekapazität versechsfacht, und die Preise sind massiv gesunken. Auch die Batterielebensdauer hat sich stark verbessert.»
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«Weil durch den Ausbau der erneuerbaren Energien wie etwa von Solarstrom die Energieproduktion unberechenbarer wird, braucht es neue Speichermöglichkeiten», sagt ETH-Forscher Andreas Ulbig. Er rechnet darum damit, dass gleichzeitig mit dem Ausbau der Solarenergie Hausbatterien wie etwa jene von Tesla gefragt sein werden.

AP/Ringo H.w. Chiu

Herr Ulbig, fast alle tragen eine Batterie mit sich herum: im Smartphone. Wie lange hält die Ihres Mobiltelefons durch?

Bei mir reicht die Akkuleistung einen Tag. Früher, bei meinem alten Handy, war das anders: Da hielt die Batterie eine Woche. Das vermisse ich schon, auch wenn das Smartphone viel mehr kann. Wobei ich sagen muss: Die Massenfertigung von Handyakkus hat massgeblich dazu beigetragen, dass auch grosse Batterien massiv billiger geworden sind.

Das Beispiel zeigt: Batterien stossen rasch an ihre Kapazitätsgrenzen. Warum sind sie für die Energiewende trotzdem zentral?

Weil durch den Ausbau der erneuerbaren Energien wie etwa von Solarstrom die Energieproduktion unberechenbarer wird, braucht es neue Speichermöglichkeiten, vor allem im Verteilnetz. Neben saisonalen Speicherseen, die Energie über Monate speichern können, braucht es auch kurzfristige, dezentrale Speicher wie Batterien, die Energie über wenige Stunden lokal zwischenlagern und dann wieder ins Netz einspeisen.

Wie sieht das konkret aus?

Der überschüssige Strom, der beispielsweise in einer Solaranlage über Mittag produziert wird, könnte in einer Gross- oder Hausbatterie direkt im Haus oder im Quartier zwischengespeichert werden, um sie am Abend, wenn die Haushalte viel Energie brauchen, wieder zurückzugeben. So könnten die zusätzlichen Netzbelastungen, die der Umstieg auf erneuerbare Energien im Stromnetz verursacht, verringert werden. Weil konstante Energielieferanten wie AKWs wegfallen, braucht es Tausende kleine Batterien, die bei Bedarf Schwankungen im Netz auch lokal ausgleichen können. Ansonsten könnte es zu einem Blackout kommen.

Hat also in Zukunft jeder Haushalt eine eigene Batterie?

Es wird in die Richtung gehen, dass in vielen Häusern, auf deren Dächern heute schon eine Photovoltaik-Anlage steht, in Zukunft auch eine Batterie im Keller steht. Das garantiert eine teilweise Energie-Autonomie und sorgt für Stabilität im Netz, weil die Energie nicht um jeden Preis eingespeist oder im schlimmsten Fall die Anlage gar abgeschaltet werden muss. Damit dieses Szenario funktioniert, müssen die Batterien jedoch untereinander vernetzt sein. So können sie den gespeicherten Strom dann ins Netz abgeben, wenn die Energie auch benötigt wird, denn wenn Tausende Hausbatterien unkoordiniert gleichzeitig ins Netz einspeisen würden, könnte dieses zusammenbrechen.

Noch sind leistungsfähige Batterien aber eine kostspielige Angelegenheit.

Im Vergleich zu einem Pumpspeicherkraftwerk sind Batterien für die reine Energiespeicherung überhaupt nicht konkurrenzfähig. Wenn ich die gleiche Menge Energie in einer Batterie speichern will, kostet das heute noch etwa hundertmal mehr. Ich denke aber, die Preise werden immer weiter sinken. Das zeigt sich bereits: In den letzten zehn Jahren hat sich die weltweite Batteriekapazität versechsfacht, und die Preise sind massiv gesunken. Auch die Batterielebensdauer hat sich stark verbessert. Eine einfache Hausbatterie kommt heute auf 5000 Ladezyklen, sie sollte bei einem täglichen Ladezyklus also etwa 13 Jahre halten.

Für die Herstellung von Akkus braucht es Rohstoffe. Der Autobauer Tesla hat angekündigt, für die Herstellung des neusten Modells werde man die gesamte heutige Produktion von Lithium benötigen. Sind überhaupt genügend Rohstoffe für die Batterie-Produktion vorhanden?

Lithium ist eines der häufigeren Metalle auf der Welt, daran wird es meiner Meinung nach nicht scheitern. Das Problem sind eher die für die Elektrodenherstellung und Elektronik benötigten seltenen Erden. Ich denke aber, dass es durch das sowieso nötige Batterie-Recycling genug Möglichkeiten gibt, etwaige Engpässe zu umschiffen. Und falls ein Material tatsächlich mal knapp und damit teuer wird, gibt es noch Dutzende weitere Batterietechnologien, auf die man zurückgreifen kann.

Was bedeutet es für die Stromkonzerne, wenn in Zukunft mehr Haushalte unabhängiger werden?

Diese Entwicklung sorgt für Unsicherheit, weil sie sowohl Strommarkt als auch Netzbetrieb radikal umwälzen wird. Stromkonzerne und Netzbetreiber werden sich dann wohl nicht mehr nur auf Stromproduktion und -verteilung konzentrieren, sondern – wie es einige Branchenvorreiter schon heute tun – auch mehr ins Energiemanagement einsteigen, wo es die unzähligen Heimkraftwerke, die auf jedem Dach installiert sind, zu steuern gilt. Damit wird auch die Stromspeicherung wieder zum Geschäftsmodell. Ob mit Blick auf diese Marktentwicklung der Verkauf von derzeit nicht rentablen Pumpspeicherkraftwerken richtig ist, wird sich daher noch zeigen.

App zur Energy Challenge 2016

Die Energy Challenge 2016 ist eine nationale Aktion von Energie Schweiz und dem Bundesamt für Energie rund um die Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Als Medienpartner beleuchtet auch 20 Minuten den Themenschwerpunkt mit Grafiken, Reportagen und Interviews. Weitere Informationen gibt es in der offiziellen App, die hier für Android und hier für iOS heruntergeladen werden kann.

Zur Person

Andreas Ulbig ist promovierter Elektrotechniker und forscht am Power Systems Lab der ETH Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Rolle von Batteriespeichern und die Weiterentwicklung des Stromnetzes in Zeiten der Energiewende. Ulbig ist ebenfalls Gründer des ETH-Spin-Offs Adaptricity, das Simulationssoftware für Netzbetreiber entwickelt.

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