«Stealthing»«Er hatte das Kondom abgezogen und neben das Bett geschmissen»
Einvernehmlicher Sex mit Kondom, doch dann wurde es absichtlich und ohne Einwilligung beider Parteien abgestreift? Die 20-Minuten-Community erzählt von ihren Erfahrungen mit «stealthing».
Darum gehts
Von «stealthing» spricht man, wenn während des Geschlechtsverkehrs das Kondom ohne Zustimmung oder das Wissen des Gegenübers entfernt wird.
Opfer riskieren, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken oder schwanger zu werden.
Die 20-Minuten-Community berichtet von ihren Erlebnissen.
Das Phänomen «stealthing» beschreibt das Entfernen eines Kondoms ohne die Einwilligung oder das Wissen des Sexualpartners oder der Sexualpartnerin. Tut man dies, macht man sich strafbar.
Die 20-Minuten-Community musste damit auch schon Erfahrungen machen. Zwei Betroffene erzählen.
G.G.* (33) aus dem Kanton Bern
«Ich war vor rund acht Jahren mit einem Bekannten für einen Kurztrip im Tessin. Wir waren zuvor schon intim miteinander. Morgens im Hotel weckte er mich und wollte Geschlechtsverkehr. Ich forderte ihn auf, ein Kondom zu benutzen – ich nahm zwar die Pille, wusste aber, dass er sich auch mit anderen Frauen traf und Sex hatte. Er weigerte sich erst, zog sich danach aber eines über.
Erst während des Geschlechtsverkehrs merkte ich, dass sich etwas nicht richtig anfühlte und stiess ihn schockiert weg. Er hatte das Kondom zerrissen, nachdem er es sich aufgezogen hatte. Ich stand auf, fragte ihn ‹gehts noch?›, nahm meine Sachen und verliess das Zimmer. In diesem Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte – also verbrachte ich den Tag allein und buchte mir letztlich ein eigenes Hotelzimmer.
«Ich fühlte mich missbraucht und betrogen, das Vertrauen in ihn war kaputt.»
Später traf ich ihn zum Abendessen und konfrontierte ihn: Er gab zwar zu, das Kondom absichtlich zerrissen zu haben – meinte aber, das Ganze sei doch nicht so schlimm und es sei nichts passiert. Ich fühlte mich missbraucht und betrogen, das Vertrauen in ihn war kaputt. Den Kontakt mit ihm brach ich sofort ab. Da ich sehr verunsichert war, ob ich mich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit angesteckt hatte, liess ich mich testen – dies war glücklicherweise nicht der Fall.
Wie sehr mich diese Erfahrung zerrüttet hat, wurde mir erst drei Jahre später bewusst, als ich meinem Umfeld davon erzählte. Ich wünschte, ich hätte bereits viel früher mit Freunden oder Fachpersonen darüber gesprochen.»
Anzeige erstatten – oder nicht?

Nora Scheidegger vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern.
Jan Holger Engberg«Ob ein Opfer eine Anzeige erstatten soll oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen, das muss jedes Opfer für sich entscheiden», sagt Sexualstrafrechtsexpertin Nora Scheidegger. Strafverfahren könnten emotional und psychisch belastend sein und die Beweisführung in Strafverfahren, die ein Sexualdelikt zum Gegenstand haben, sei häufig sehr schwierig.
«Ich empfehle Betroffenen, sich an eine Opferberatungsstelle zu wenden und sich dort über die möglichen nächsten Schritte beraten zu lassen», rät sie. In Bern könnten Opfer von sexuellen Übergriffen zudem im Inselspital vom Institut für Rechtsmedizin Spuren sichern lassen, ohne dass eine Meldung an die Polizei erfolgt. Die betroffenen Frauen werden medizinisch behandelt und können sich anschliessend in Ruhe überlegen, ob sie Anzeige erstatten wollen. In anderen Kantonen gibt es ähnliche Angebote.
D.G.* (44) aus dem Kanton Zürich
«Bei mir passierte es bei einem One-Night-Stand in den 2000er-Jahren. Der Geschlechtsverkehr begann mit Kondom – als wir fertig waren, sah ich aber, dass er das Kondom nicht mehr trug und es stattdessen neben das Bett geschmissen hatte. Ich war total schockiert, als ich merkte, was er getan hatte und bin sofort gegangen. Konfrontiert habe ich ihn nicht – dafür war ich zu jung und naiv.
Meine Gedanken kreisten nur noch darum, mich so schnell wie möglich auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen. Das tat ich auch, die Tests fielen zu meiner Erleichterung negativ aus. Um eine mögliche Schwangerschaft machte ich mir weniger Sorgen, da ich mit der Pille verhütete. Später meldete sich der Mann und wollte mich nochmals treffen. Ich habe ihm nie mehr geantwortet – und seither auch nie wieder einen solchen Mann kennen gelernt. Diese Respektlosigkeit, aber auch die Gleichgültigkeit unserer beider Gesundheit gegenüber schockierte mich.»
*Namen der Redaktion bekannt.
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