Steuerparadiese schlagen Alarm
Steuerparadiese ziehen auch Wirtschaftskriminelle an. In Schwyz und Zug, die wegen ihrer Steuerpriviliegien für Unternehmen bei der EU auf der Schwarzen Liste stehen, ist die Anzahl Delikte stark gestiegen.
Der Schwyzer Untersuchungsrichter Roland Meier, zuständig für Wirtschaftskriminalität, schlägt Alarm: Zwischen 2001 und 2006 hat sich die Anzahl Delikte von 41 auf 83 gut verdoppelt. Wenn diese Tendenz im laufenden Jahr anhalte, benötige er eine Aufstockung des Personals, sagte Meier gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Zurzeit befassen sich im Kanton Schwyz drei Untersuchungsrichter und fünf spezialisierte Polizisten mit Wirtschaftsdelikten. Immer häufiger geht es laut Meier um grosse Fälle, welche bis ins Ausland ausstrahlen. Auch die Anzahl der Rechtshilfegesuchen ist deshalb sprunghaft angestiegen.
Häufig geht es um Anlagebetrug mit Hunderten von Geschädigten. Aber auch anderen Arten von Wirtschaftsdelikten nehmen zu: Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung, betrügerischer Konkurs und dergleichen.
Finanzstandorte ziehen auch Schwarze Schafe an
Ein Finanz- und Wirtschaftsstandort ziehe immer auch Schwarze Schafe an, erklärt Christian Aebi, Meiers Amtskollege im Kanton Zug, einem anderen Steuerparadies. In beiden Kantonen ist die Zahl der Unternehmen innert fünf Jahren um 20 Prozent angewachsen.
Im Kanton Zug haben sich die Wirtschaftsdelikte zwischen 2001 und 2006 (von 11 auf 44) vervierfacht. Bei gut einem Drittel handelte es sich um Anlagebetrug. Häufig sind Briefkastenfirmen verwickelt. Mit dem Argument niedriger Steuern ködern sie ausländische Investoren.
Sieben Untersuchungsrichter, ein Analyst und zwei Polizisten sind im Kanton Zug auf Wirtschaftdelikte spezialisiert. Das reicht allerdings kaum aus. Tatsächlich beschäftige ein einziger Fall von Anlagebetrug mit einem Schaden von mehreren Millionen Franken und ein paar hundert Opfern einen Untersuchungsrichter ein ganzes Jahr lang, sagt Aebi.
Obwalden noch nicht betroffen
Obwalden, seit letztem Jahr für Unternehmen der attraktivste Kanton, scheint noch nicht unter der Wirtschaftskriminalität zu leiden. Im Gegensatz zu Luzern, wo ebenfalls vorteilhafte Steuerregelungen gelten.
Dort sind die Behörden angesichts der grossen Zahl von Dossiers überlastet, wie der Luzerner Verantwortliche Max Gauglitz sagt. Im Februar haben die vier Spezialisten Verstärkung von einer zusätzlichen Untersuchungsrichterin bekommen.
Die Kantone Waadt und Wallis, die in der französischen Schweiz als besonders unternehmensfreundlich gelten, verfügen über keine Statistiken zur Wirtschaftskriminalität. Aber «wir sind immer mehr überfordert», gibt der Walliser Untersuchungsrichter Jo Pitteloud zu. Und der Waadtländer Erste Staatsanwalt Jacques Antenen bestätigt: «Wir haben keinerlei Kapazitätsreserven.»
Keine auffälligen Zunahmen in Zürich und Genf
Die grossen Wirtschaftszentren wie Zürich und Genf haben dagegen in den letzten Jahren keine auffällige Zunahme von Wirtschaftsdelikte festgestellt. Was allerdings nicht heisst, dass dort die Dossiers innert vernünftiger Zeit abgeschlossen werden können.
Der Zürcher Staatsanwalt Christian Weber bestätigt die Tendenz zu immer komplexeren und internationaleren Fällen, welche Dutzende, wenn nicht Hunderte von Bundesordnern füllen. Sein Team ist mit rund 120 hängigen Fällen konfrontiert. Der Fall Swissair ist einer davon. (sda)