BundesgerichtsurteilWohnsitz als Verhängnis: Simon Stocker verliert Ständeratssitz
Simon Stocker (SP) ist nicht länger Ständerat. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde gut, wonach er bei seiner Wahl nicht im Kanton Schaffhausen, sondern in der Stadt Zürich lebte.
Darum gehts
Das Bundesgericht setzt Simon Stocker (SP) als Ständerat ab. Dies, weil er bei seiner Wahl nicht in Schaffhausen, sondern in der Stadt Zürich wohnte.
Der Entscheid bedeutet nicht, dass der parteilose Thomas Minder, der die Wahl gegen Stocker verloren hat, automatisch Ständerat wird.
Der Schaffhauser Regierungsrat setzt Neuwahlen für den 29. Juni an.
Stocker selbst kündigt auf Instagram an, dass er erneut zur Wahl antreten will.
Im November 2023 schaffte Simon Stocker (SP) die Sensation. Anstatt den parteilosen Thomas Minder, der zwölf Jahre im Amt war, wählte das Schaffhauser Stimmvolk den damals 42-jährigen Stocker ins Stöckli. Doch bald schon war die Freude getrübt.
Es entbrannte ein Streit um den wahren Wohnsitz von Stocker. Zwei Stimmberechtigte reichten Beschwerde ein, welche vom Regierungsrat abgewiesen wurde. Ein Beschwerdeführer zog den Fall ans Obergericht weiter, welches die Beschwerde ebenfalls abwies.
Doch nun gibt das Bundesgericht dem Beschwerdeführer recht – und hebt die Wahl von Stocker auf.
Kein Wohnsitz in Schaffhausen
«Da Simon Stocker am Wahltag keinen politischen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen hatte, erfüllte er die strikte kantonalrechtliche Voraussetzung zur Wählbarkeit als Ständerat nicht», schreibt das Bundesgericht in seiner Mitteilung. Entscheidend sei der Lebensmittelpunkt zum Zeitpunkt der Wahl.
Zwar ist für das Bundesgericht durch Stockers Anmeldung bei der Stadt Schaffhausen ersichtlich, dass er hier seine politischen Rechte wahrnehmen und auch den Wohnsitz mit seiner Familie hierher verlegen wollte. Doch zum Zeitpunkt der Wahl habe er noch primär in der Stadt Zürich gewohnt und gearbeitet.
Das hat Stocker im Ständerat gemacht
Während seiner rund 17 Monate im Ständerat war Stocker Teil mehrerer parlamentarischen Kommissionen: So war er Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-S), der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek-S), der Geschäftsprüfungskommission (GPK-S) sowie mehrerer Subkommission dieser und auch der Legislaturplanungskommission (LPK). Zudem war er Vizepräsident der Delegation für die Beziehungen zum österreichischen Parlament.
Seine Sitze in den Kommissionen werden mit seinem Ausscheiden aus dem Ständerat nun frei. Für die freien Sitze in der WBK-S und der Urek-S kann die SP-Fraktion einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin ernennen – sobald der Sitz von Stocker wieder besetzt ist, übernimmt sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin mit grosser Wahrscheinlichkeit die Kommissionsmitgliedschaften. Bei der GPK-S hingegen wird sein Sitz freibleiben, bis die Vakanz besetzt ist.

Während seiner 17 Monate im Ständerat reichte Simon Stocker acht Vorstösse ein.
20min/Matthias SpicherIn knapp eineinhalb Jahren reichte der Schaffhauser acht Vorstösse ein. Die meisten betrafen dabei Umweltthemen. Sechs seiner Vorstösse wurden bereits behandelt – einer davon, der die Überarbeitung und Aktualisierung der nationalen Alterspolitik fordert, wurde angenommen und dem Bundesrat überwiesen. Die restlichen fünf Vorstösse wurden abgelehnt.
Zudem hat Stocker während der diesjährigen Frühjahrssession, die letzte Woche zu Ende ging, noch zwei weitere Vorstösse eingereicht, die nun hängig sind. Diese können in der nächsten Session von einem anderen Ratsmitglied übernommen werden – passiert dies nicht, werden sie abgeschrieben.
Annullierung per sofort
Die Annullierung gilt «aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauens» ab dem Zeitpunkt des Urteils. Sprich, Stocker muss sein Amt per sofort ablegen. Nicht betroffen sind die Entscheide, an denen er mitgewirkt hat. Laut dem Bundesgericht bedeutet der Entscheid auch nicht, dass nun Thomas Minder zum Ständerat erklärt wird.
Der Schaffhauser Regierungsrat setzt «wie vom Bundesgericht angeordnet» für die Besetzung des vakanten Sitzes im Ständerat eine Neuwahl an: «Diese neue Wahl findet am 29. Juni 2025 statt. Ein allfälliger zweiter Wahlgang würde am 24. August 2025 durchgeführt», teilt er Mittwoch mit. Dies ermögliche dem neugewählten Mitglied die Teilnahme an der Herbstsession. In der Sommersession bleibt der zweite Schaffhauser Sitz im Ständerat vakant.
Stocker wird heute um 14 Uhr an einer Medienkonferenz Stellung nehmen. Thomas Minder reagierte nicht auf Anfragen von 20 Minuten.
«Ich trete wieder zur Wahl an»
Auf Instagram meldet sich Stocker mit einem ersten Statement zu Wort. Es sei «ein schwieriger Tag» für ihn. Gerichtsurteile seien aber zu akzeptieren. «Schmerzhaft ist es für mich trotzdem: Im Kern ist das Urteil auch eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell», so Stocker. Denn seine Frau und er hätten sich so eingerichtet und lebten gut damit.
«Dass nun das Bundesgericht unsere Art zu leben als nicht vereinbar mit einem politischen Amt erachtet und das mir nun meine Wahl kostet, ist enttäuschend und stimmt uns traurig», schreibt er in einem langen Beitrag. Zuletzt stellt er aber auch klar: «Ich trete wieder zur Wahl an und bin überzeugt, dass es mir zusammen mit euch allen erneut gelingen wird, diesen Sitz zu erobern.» Die Planung für seinen Wahlkampf starte bereits heute.
Beschwerdeführer kritisiert Obergericht und Regierungsrat
Gemäss SRF soll der Beschwerdeführer ein «Bewunderer» von Thomas Minder sein und habe vor den Wahlen für ihn Leserbriefe verfasst und Flugblätter verteilt. Zudem stand er mit dem Minder-Lager in Kontakt, wie er vor dem Obergericht zugegeben habe.
Der Beschwerdeführer – der aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ungenannt bleiben will –äusserte sich am Mittwoch via seinem Rechtsanwalt in einer Medienmitteilung, wo er sich über den Entscheid des Bundesgerichts erfreut zeigt. Kritik gibt es hingegen für den Schaffhauser Regierungsrat sowie das Schaffhauser Obergericht: Es sei «inakzeptabel», dass es das Bundesgericht gebraucht habe, um die «an sich klare Rechtslage» festzustellen, so der Beschwerdeführer.
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.