«Sürpriiis» – ein Selbstversuch in Bern

Aktualisiert

Undercover-Verkauf«Sürpriiis» – ein Selbstversuch in Bern

In Bern dürfen sich Neugierige als Magazin-Verkäufer auf offener Strasse versuchen. Auch 20 Minuten hat sich auf die Gassen Berns gewagt.

von
Mira Weingartner

«Die Profis» lautet der Titel der aktuellen «Surprise»-Ausgabe. Ich jedoch fühle mich wie ein richtiger Frischling, während ich versuche, das Magazin auf offener Strasse zu verkaufen. Meine Unerfahrenheit in dieser Branche bemerke ich spätestens, als ich mich nach warmen Wollsocken und kuschligen Handschuhen sehne.

Ein freundliches Lächeln

Doch dann erinnere ich mich an den Tipp, den mir «Surprise»-Verkäufer Daniel Binggeli am Montagmorgen an seinem Arbeitsplatz in der Berner Postgasse gegeben hat: Offenheit sei das erste Gebot. 6 Franken soll ich den Käufern «heuschen», 2.70 Franken davon sind mein Lohn. Trinkgeld darf ich annehmen. «Um die täglichen Spesen von Zug und Essen zu begleichen, muss ich zehn Magazine verkaufen. So schätze ich das Trinkgeld umso mehr», erzählt mir der Bieler.

Motiviert, das Tagesgeschäft von Dänu voranzutreiben, preise ich mit einem euphorischen «Süüürpriiis» die 342. Ausgabe der Zeitschrift an. Manchmal ernte ich dafür von Passanten ein Lächeln. Oft ignoriert man mich, andere beschleunigen fluchtartig ihre Schritte. «Ich habe bereits eine», hört sich nach einer faulen Ausrede an. Dann, unverhofft, kommt eine Frau auf mich zu und zückt das Portemonnaie. Ich hätte ihr leid getan, sagt sie, deshalb sei sie nochmals umgekehrt. Andere Kunden kommen und sind neugierig: «Sie sind aber keine typische Strassenverkäuferin», höre ich mehrmals.

Mission Undercover

Ich kläre die Kundschaft auf, entlarve meine Undercover-Aufgabe und erzähle ihr von dem organisierten Rollentausch des Vereins Surprise: Im Rahmen der internationalen Woche der Strassenzeitungen dürfen Interessierte in die Rolle eines Strassenverkäufers schlüpfen. Surprise Bern bietet Neugierigen am 5. Februar erneut die Chance auf einen solchen Perspektivenwechsel. «Wir freuen uns über jeden, der sich als getarnter Verkäufer auf Berns Gassen wagt», sagt Andrea Blaser vom Verein Surprise.

Nach fünf Verkäufen und eingenommenen 33.20 Franken innerhalb einer knappen Stunde hänge ich meinen Job bereits wieder an den Nagel, denn Dänu ist wieder zurück und will weiterarbeiten – er mag seine Arbeit. «Stammkunden haben bereits nach dir gefragt», erzähle ich ihm und gebe die übrig gebliebenen Hefte zurück. Danach mische ich mich wieder unter den Strom der Fussgänger. Bei der nächsten Strassenecke höre ich das vertraute «Surprise, surprise».

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