Suizidrate 2020Suizid-Welle durch Corona-Massnahmen blieb aus
Massnahmenkritikerinnen und -kritiker befürchten seit Anfang der Pandemie einen Anstieg der Suizide. Obwohl bereits mehrere Kantone ihre Zahlen veröffentlicht haben, will das Bundesamt für Statistik noch bis Ende 2022 abwarten.
Darum gehts
Seit Anfang der Pandemie befürchten Massnahmenkritkerinnen und -kritiker einen Anstieg der Suizide.
Das Bundesamt für Statistik plant die Zahlen dazu erst im Dezember 2022 zu veröffentlichen.
Mehrere Kantone haben ihre Daten bereits veröffentlicht.
Politikerinnen und Politiker fordern, dass sie schneller publiziert werden.
Eines der Hauptargumente der Corona-Massnahmenkritiker und -kritikerinnen lautet: Die harten Massnahmen und Lockdowns würden der Psyche schaden, was zu mehr Suiziden führe. Die Zahlen aus den Kantonen Schwyz und Aargau sind bereits veröffentlicht und zeigen keinen Anstieg.
Zwar stehen definitive schweizweite Zahlen noch aus. Doch eine neue Studie des BAG deutet darauf hin, dass es auch national im Corona-Jahr 2020 nicht mehr Suizide gegeben hatte als in in den Vorjahren. Die Suizidrate ist letztes Jahr gar leicht gesunken.
Zahl der Suizide wohl leicht gesunken
Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasste für 2020, 1013 Selbsttötungen. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 4,4 Prozent weniger.

«Im Vergleich mit den Vorjahren deuten die aktuellen Zahlen dementsprechend nicht darauf hin, dass die Suizide in der Schweiz während der Zeit der Covid-19-Pandemie zugenommen haben», heisst es im Bericht. Auch die Fälle von Suizidversuchen seien im Pandemiejahr mit hochgerechnet 971 für 2020 tiefer ausgefallen als in den Jahren 2015 bis 2019.
«Mit Vorsicht zu geniessen»
Es sei jedoch schwierig, zu Suizidversuchen verlässliche Daten zur Verfügung zu stellen, da darin bloss ein Bruchteil aller Fälle abgebildet und längst nicht alle Suizidversuche der Polizei bekannt seien.
Dominique de Quervain ist Professor für kognitive Neurowissenschaft an der Universität Basel und bestätigt, dass die Suizidzahlen mit Vorsicht zu interpretieren sind. «Die Datenlage zur Suizidrate ist noch nicht klar genug, um eine gesicherte Aussage machen zu können. Dafür braucht es die verlässlichen Zahlen des Bundesamt für Statistik», so de Quervain. «Es kann aber durchaus sein, dass die psychische Belastung während der Pandemie zwar gestiegen ist, jedoch in einem Masse, das sich gerade von Erwachsenen meistern liess.»
BFS will Auswertung beschleunigen
Auch die BAG-Studie stellt fest, man müsse für einen endgültige Beurteilung die Zahlen des BFS abwarten. Diese werden jedoch erst ab Dezember 2022 verfügbar sein.
Das stört SVP-Nationalrat Lars Guggisberg. «Ich habe früh festgestellt, dass sich die Lockdowns auf die psychische Gesundheit auswirken. Somit hätte ich mir gemeinsam mit den Corona-Fallzahlen auch eine wöchentliche Veröffentlichung der Zahlen zur psychischen Gesundheit gewünscht», so Guggisberg. Dem Bundesamt für Statistik sei zur Erhebung der beschleunigten Todesfallstatistiken und der medizinischen Klassifikation ein Zusatzkredit von fünf Millionen zugesprochen worden, sagt Guggisberg. «Somit greift das Argument der Personalknappheit hier nicht mehr.»
«Wir arbeiten mit Hochdruck daran»
Gemäss Guggisberg, der die zuständigen kantonalen Stellen im Februar diesen Jahres kontaktiert habe, gebe es abgesehen von drei Kantonen bereits Zahlen zu den Suiziden. «Ich finde es stossend, dass es dennoch so lange dauert. Die Zahlen der Menschen in psychologischer Betreuung sind gestiegen: Beim Hochwasser kann man schliesslich auch nicht mit der Analyse zuwarten.» Dass die verfügbaren Daten in einigen Kantonen insgesamt keinen Anstieg bei der Suizidrate zeigen, findet er zwar beruhigend, «dennoch sollte jetzt zur schnelleren Analyse besser mit den Kantonen koordiniert werden. Innerhalb von drei Monaten sollte man so die Zahlen auf den Tisch kriegen», so Guggisberg.
Der Zuständige für Vitalstatistik und Epidemiologie beim Bundesamt für Statistik, Rolf Weitkunat, sagt, dass man dieses Jahr speziell auf eine Beschleunigung hinarbeite. «Die Kodierung der Todesursachen für ein Jahr ist bei einer Grössenordnung von rund 70'000 Todesfällen ein sehr aufwändiger Prozess. Derzeit ist unser Kodierteam noch mit der Kodierung des Jahres 2019 beschäftigt», so Weitkunat. Man arbeite jedoch mit Hochdruck daran, den Prozess für das Jahr 2020 zu beschleunigen.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Suizidgedanken? Oder hast du jemanden durch Suizid verloren?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorge, Tel. 044 206 30 67
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
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