Die Swiss Protein Association nimmt es mit der Fleischlobby auf

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Swiss Protein AssociationDie Lobby der Fleischalternativen organisiert sich

Immer mehr Menschen in der Schweiz verzichten bewusst auf tierische Nahrungsmittel. Die Swiss Protein Association, der auch Migros und Planted angehören, setzt sich für die Zukunft der Milch- und Fleischalternativen ein.

«Bis 2030 werden wir in der Schweiz zehn Millionen Menschen sein», sagt Karola Krell, Geschäftsführerin der Swiss Protein Association. «Wir müssen uns überlegen, was wir alle essen sollen.
Darf ein rein pflanzliches Produkt mit «Chicken» gekennzeichnet werden? Ja, sagt die Swiss Protein Association – Unternehmen sollten über Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten informieren dürfen.
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«Bis 2030 werden wir in der Schweiz zehn Millionen Menschen sein», sagt Karola Krell, Geschäftsführerin der Swiss Protein Association. «Wir müssen uns überlegen, was wir alle essen sollen.

Zur Verfügung gestellt SPA

Darum gehts

  • Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig: Um die Klimawende zu schaffen, müssen wir unseren Fleischkonsum reduzieren.

  • «Wir wollen, dass es wieder normal wird, am Sonntag den Fleischbraten zu essen und sich ansonsten pflanzlich zu ernähren», sagt Karola Krell. Die Juristin ist Geschäftsführerin der Swiss Protein Association (SPA), der Branchenvertretung für Milch- und Fleischalternativen.

  • Dabei geht es Krell unter anderem um die Subventionen: «Die SPA ist nicht gegen tierische Produkte, sondern für die Gleichbehandlung von Fleisch, Milch und deren Alternativen.»

  • Auch wenn Milch- und Fleischalternativen noch ein Nischendasein führen: Immer mehr Menschen in der Schweiz verzichten bereits heute bewusst auf tierische Lebensmittel.

Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig: Um die Klimawende zu schaffen, müssen wir unseren Fleischkonsum reduzieren. Das gilt nicht nur für das Ausland, sondern auch für die Schweiz. Die hiesige Landwirtschaft trägt über 13 Prozent zu den Treibhausgasemissionen bei. Mehr als die Hälfte davon stammt aus der Rindviehhaltung, also der Produktion von Milch und Fleisch.

Diese tierischen Lebensmittel sind nach wie vor fester Bestandteil der Ernährung von Herr und Frau Schweizer. Doch Umwelt- und Tierschutzgedanken spielen eine immer grössere Rolle: «63 Prozent der Schweizer Bevölkerung verzichten bewusst mehrmals pro Monat auf tierische Lebensmittel», heisst es im «Plant Based Food Report 2023» von Coop. «Ihr Anteil hat seit 2012 stark zugenommen, damals waren es noch 40 Prozent.»

Eine Entwicklung, die Karola Krell mit Freude beobachten dürfte. Die Juristin leitet die Swiss Protein Association (SPA), die 2021 gegründete Branchenvertretung für Milch- und Fleischersatzprodukte.

Frau Krell, wie kommen Sie als Rechtsanwältin dazu, einen Verband der Nahrungsmittelindustrie mitzugründen?

Ich bin spezialisiert im Lebensmittelrecht und arbeite mit der Kanzlei Foodlex seit 15 Jahren in diesem Bereich. Neben der Swiss Protein Association führe ich fünf andere Verbände der Lebensmittelindustrie. Daher habe ich Kontakte zu verschiedenen Unternehmen. Vor einigen Jahren kamen mehrere Unternehmen aus dem Bereich alternative Proteine – Planted, die Migros Industrie, die Kündig Gruppe, Bell/Hilcona – auf mich zu und ersuchten um eine Vertretung, wie es sie für andere Branchen wie die Milch- und Fleischindustrie bereits gab.

Spannend: Migros/Micarna ist vor allem für sein Fleisch bekannt. Wie kommt es, dass ein Fleischproduzent mit dem fleischlosen Konkurrenten Planted zusammenspannt?

Im Verband betonen wir das Gemeinsame. Wir sehen die Situation nicht als Konkurrenz, sondern als Nebeneinander: Die SPA ist nicht gegen tierische Produkte, sondern für eine Gleichbehandlung von Fleisch, Milch und deren Alternativen. Wir setzen uns für die Alternativprodukte ein, die von den Konsumenten gefragt werden – auch jene von Migros.

Sie sprechen von Alternativprodukten zu Milch und Fleisch. Was genau meinen Sie damit?

Wir unterscheiden zwischen vier Arten: Produkte auf Pflanzenbasis wie Soja oder Erbsen, Produkte aus Fermentationsprozessen, zellbasierte respektive kultivierte Produkte und Produkte auf Insektenbasis.

Und wie sieht Ihr Einsatz für diese Alternativprodukte aus?

Zu Beginn haben wir drei Positionspapiere erarbeitet: Wir wollen über Alternativen im Vergleich zu Fleisch- und Milchprodukten informieren können (Labeling), wir wollen angesichts der Umweltsituation einen Wandel zu nachhaltiger Ernährung (Nachhaltigkeit) und wir wollen eine Gleichbehandlung bei der Förderung von Produzenten tierischer und alternativer Proteine (Innovation). In der Landwirtschaft fehlt heute noch ausreichend Unterstützung. Darum ist es für Landwirte schwierig, von der Kuh auf die Kichererbse umzusteigen.

Die Positionspapiere stehen. Wie arbeiten Sie heute an der Umsetzung?

Wir arbeiten mit anderen Organisationen, vor allem aus dem Umwelt- und Tierschutzbereich, zusammen und versuchen, die öffentliche Wahrnehmung mitzugestalten. Mittlerweile gibt es auch Kritik an alternativen Proteinen. Es heisst, das sei alles ungesund, gar nicht so pflanzlich, wie es behauptet wird. Hier versuchen wir, Missverständnisse auszuräumen: Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Unsere Produktkategorie kann wie Fleisch oder Milch verwendet werden, ist aber nicht dasselbe. Wir machen auch Lobbyarbeit bei Politik und Behörden.

Sie betreiben Lobbyarbeit. Das klingt erstmal nach Deals im Hinterkämmerchen.

Ja, wir müssen hier auf eine neue Produktsparte aufmerksam machen. Wir gehen ins Bundeshaus und treffen Nationalräte, aber das machen alle anderen Branchen auch. Das ganz grosse Lobbying der Fleisch- und Milchbranche gibt es schon seit Jahren und ist sehr gut verankert, zum Beispiel über den Schweizerischen Bauernverband. Wir stecken im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen, aber wir haben auch Kontakte zu Politikern, die sich für unsere Anliegen engagieren wollen – zum Beispiel hat die ehemalige Nationalrätin Meret Schneider fünf Motionen mit uns lanciert.

Was wollen Sie konkret ändern? Was sind die grössten Hürden für alternative Proteine?

Bis 2030 werden wir in der Schweiz zehn Millionen Menschen sein. Wir müssen uns überlegen, was wir alle essen sollen. Die grösste Hürde ist dabei der Konsument: Die Mehrheit isst heute noch Fleisch und Milch. Die Alternativen machen noch weniger als zehn Prozent aus. Wir wollen nicht, dass alle Konsumenten Vegetarier oder Veganer werden, wir müssen weiterhin Tiere für unsere Ernährung nutzen. Aber wir wollen, dass die Verbraucher mehr auf pflanzliche Produkte setzen und tierische Produkte zur wertvollen Ausnahme werden. Dass es wieder normal wird, am Sonntag den Fleischbraten zu essen und sich ansonsten pflanzlich zu ernähren. Dafür brauchen wir auch Ersatzprodukte.

Weitere Hürden?

Der Preis. Die meisten Ersatzprodukte sind teurer als tierische Produkte. Hafermilch ist noch teurer als Kuhmilch. Das liegt an der Menge, aber auch an den Kosten der Rohstoffe. Und diese Kosten hängen wiederum mit der Verfügbarkeit in der Schweiz und den Subventionen zusammen. Im Pflanzenbereich gibt es weniger Subventionen.

Noch was?

Vielleicht am wichtigsten: Die Produkte müssen auch schmecken.

Sonst wird es schwierig, ja. Zum Abschluss: Wie sieht Ihr persönlicher Protein-Mix aus?

Ich bin eine typische Flexitarierin, die sich ausgewogen ernährt. Ich esse Fleisch, ich esse Fisch, und ich esse auch alternative Proteine. Ich sage immer: Ich esse alles, aber ich werbe für nichts.

Wie denkst du über die Reduktion von Fleisch- und Milchkonsum, um die Klimawende zu unterstützen?

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