AfghanistanTaliban häuten Mann bei lebendigem Leib
Die Folter- und Mordmethoden der radikalislamischen Taliban werden immer brutaler. Grund dafür sind auch Internet-Videos des Islamischen Staats.
Der 21-jährige Fazl Ahmad starb einen grausamen Tod. Kämpfer zerrten den Arbeiter aus der afghanischen Provinz Ghor aus seinem Haus und schnitten ihm die Augen aus. Den Behörden zufolge verübten die Männer Vergeltung für einen Mord. Ein entfernter Verwandter Ahmads wurde verdächtigt, einen früheren Taliban-Kommandanten getötet zu haben.
Während Ahmad noch lebte und um sein Leben schrie, zogen ihm seine Peiniger die Haut von der Brust, berichtet die «Washington Post». Am Ende der Folter war sein schlagendes Herz zu sehen. Schliesslich stiessen sie ihn von einer Klippe. Der Vorfall ereignete sich bereits im vergangenen Dezember, doch erst kürzlich tauchte Bild- und Videomaterial auf, das die Tat dokumentiert.
Taliban wollen Stärke zeigen
Ahmad ist kein Einzelfall. Erst kürzlich töteten Taliban-Kämpfer einen Schüler in der Provinz Ghazni, indem sie ihm Nase und Ohren abschnitten. Sie hatten ihn der Spionage verdächtigt.
Offiziell haben sich die Taliban vom Mord an Fazl Ahmad distanziert. Doch Experten sehen in seinem Tod einen Beweis dafür, dass die Terror-Miliz immer brutaler gegen Gegner und Abtrünnige vorgeht. Das liegt zum einen daran, dass die Taliban-Gruppen sich immer weiter zersplittern und auch in Gebiete vordringen, die früher als sicher galten. «Sie ändern ihre Kriegstaktik», glaubt der frühere Gouverneur der Provinz Badakhshan, Shah Waliullah Adeeb. Die Taliban wollten zeigen, dass die Regierung schwach ist und sie die Führung übernommen hätten.
Jüngere Taliban sind brutaler
Zum anderen werden getötete Taliban-Führer durch jüngere Kommandanten ersetzt. Diese neuen Anführer lassen sich durch Gewalt-Videos aus dem Internet inspirieren und nehmen sich andere Terror-Milizen wie etwa den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak zum Vorbild.
Nachdem Taliban-Chef Mullah Achtar Mansur im Mai durch eine US-Drohne getötet worden ist, reisst die Gewalt nicht ab. Seit Mansurs Tod haben Kämpfer mindestens fünf Busse gekidnappt. Auf offener Strasse exekutierten sie gezielt Passagiere, die verdächtigt wurden, Polizisten oder Soldaten zu sein oder Militärangehörige in der Familie zu haben. Zudem gab es mindestens drei tödliche Anschläge auf afghanische Gerichte oder Justiz-Angestellte.
Im vergangenen Monat liess die afghanische Regierung zudem fünf Taliban-Gefangene hängen, nachdem eine Autobombe in Kabul 64 Menschen getötet hatte. Seitdem rechtfertigen die Taliban ihre Anschläge als Vergeltung für die Exekutionen.
Terror geht weiter
«Es gibt Dutzende Fälle von öffentlichen Auspeitschungen, Hinrichtungen und Morden», sagte Abdul Jama Jama, Mitglied des Provinzrats in Ghazni, der «Washington Post». Auch die Vereinten Nationen (UN), Amnesty International und die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission haben sich bereits besorgt gezeigt.
Bislang spricht nichts dafür, dass die Terror-Serie bald abebbt. Auch als im Sommer 2015 bekannt wurde, dass der frühere Taliban-Führer Mohammad Omar zwei Jahre zuvor getötet worden war, eskalierte die Gewalt. Nun befürchten Experten, dass der neue Taliban-Chef Mullah Haibatullah Achundsada noch mehr auf brutale Attacken setzt, um seine Macht zu manifestieren.
Die USA haben bereits reagiert: Am Freitag wurde publik, dass die US-Regierung dem Militär eine Ausweitung der Luftangriffe in Afghanistan erlaubt. Die 9800 US-Soldaten am Hindukusch sollen sich aber weiter nicht direkt an Kämpfen beteiligen. Die USA und andere Nato-Staaten hatten ihren Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 offiziell beendet. Im Jahr 2015 wurden nach UN-Angaben 3545 afghanische Zivilisten getötet und 7457 weitere verletzt, die meisten von Taliban.