Teure WartungBund nutzt Challenger-Jets mehr für VIP-Flüge als Evakuationen
Kürzlich erneuerte der Bund die Wartungsverträge für die Challenger-Jets. Diese dürften die Schweiz ein Vielfaches des Kaufpreises kosten, kommen im Ernstfall von Evakuationen aber selten zum Einsatz.
Darum gehts
Für Evakuationen, humanitäre Einsätze und Swisscoy-Transporte kaufte der Bund vor sechs Jahren zwei Challenger-Jets für 13 Millionen Franken.
Nun zeigen Recherchen von 20 Minuten, dass die Flugzeuge zur Hälfte der Zeit für andere Zwecke zum Einsatz kommen: VIP-Flüge für Politiker und Top-Beamte sowie Flugshows und Trainings im Ausland.
Die Kosten für die Wartung der Jets, die bisher 5,6 Millionen Franken kostete, dürften in den nächsten Jahren stark ansteigen auf ein Vielfaches des ursprünglichen Kaufpreises.
Vor sechs Jahren kaufte der Bundesrat der Rega zwei Jets ab. 13 Millionen Franken zahlte er für die zwei Flugzeuge vom Typ Bombardier Challenger CL604. Diese ersetzten einen alten Flieger und bieten Platz für bis zu 18 Personen.
Die Jets würden gebraucht für die Transporte der Swisscoy im Kosovo, humanitäre Hilfsaktionen, die Evakuierung von Schweizerinnen und Schweizer sowie die Rückschaffung von Migrantinnen und Migranten. Die geringe Auslastung sorgte bereits früher für Kritik. Nun zeigen Recherchen von 20 Minuten: Die Jets fliegen oft für andere Zwecke.
Am häufigsten jettet die Armee
Von 2019 bis 2023 waren die Challenger-Flugzeuge insgesamt 3187 Stunden in der Luft. Das entspricht gut 300 Stunden pro Jahr und Flieger. Wie viele davon auf die vier Zwecke entfallen, mit denen der Bund den Kauf begründete, schlüsselt die Luftwaffe nicht im Detail auf. Sprecherin Nadine Schröder beantwortet die Frage nur summarisch.
Mit Abstand am häufigsten griff die Armee auf die Flugzeuge zurück: 2559 Flugstunden entfielen auf das VBS.
20min/Christina PirskanenAus der Antwort geht hervor, dass die Flugzeuge nur zur Hälfte der Zeit zu einem der beim Kauf genannten Zwecke fliegen: Zu je 25 Prozent wurden die Jets laut Schröder genutzt für humanitäre Zwecke (bei acht Einsätzen) und um Swisscoy-Soldaten sowie Material in den Kosovo und zurück zu fliegen.
Die andere Hälfte: Rund 30 Prozent der Zeit standen die Jets laut Schröder für Transportflüge der Armee, Trainings im Ausland und Flugvorführungen im Einsatz. 20 Prozent entfielen auf Personentransporte.
Warum die Challenger-Jets bei Evakuationen oft im Hangar bleiben
Bisher kamen die beiden Occasion-Flugzeuge acht Mal für humanitäre Zwecke zum Einsatz. Im Jahr 2021 flogen sie Deza-Hilfsgüter in die Mongolei und nach Tunesien wegen der Covid-19-Pandemie. Nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien im Jahr 2023 flogen die Jets mit Personal und Hilfsgütern in die Türkei. Mit zwei weiteren Einsätze in diesem Jahr leistete die Schweiz logistische Unterstützung beim Löschen der Waldbrände in Griechenland.

Waldbrand auf Korfu in Griechenland: Die Schweiz leistete mit den Challengern logistische Unterstützung. (Archivbild)
20min/News-ScoutZu den Evakuierungsflügen nennt die Luftwaffe keine Details. Ob die Challenger für Evakuationen eingesetzt werden können, hänge von der Sicherheitslage am Zielort ab. «Auch mit einem Selbstschutzsystem kann nicht auf einem Flugplatz gelandet werden, wenn mit direktem Beschuss verschiedener Waffensysteme gerechnet werden muss», sagt Sprecherin Schröder.
Die Flieger der Schweiz könnten in Kooperation mit anderen Ländern eingesetzt werden. Sprich, die Schweizer landen in einem Nachbarland, den gefährlichen Flug an die Zieldestination übernehmen andere Länder: «Dazu braucht es einen Luftschirm und militärische Transportflugzeuge, welche über ein vollumfängliches Selbstschutzsystem verfügen.»
Im Ernstfall fliegen andere Länder
Auch bei Evakuationen kamen meist andere Flugzeuge zum Einsatz. Als Unruhen im Sudan ausbrachen, evakuierten französische Sicherheitskräfte das Schweizer Botschaftspersonal. Der Botschafter nahm den Bundesratsjet. Auch nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan und den Terror-Anschlägen vom 7. Oktober in Israel setzte die Schweiz auf gecharterte Flugzeuge, Sonderflüge der Swiss und vor allem auf die Hilfe anderer Staaten wie den USA oder Deutschland.
Laut der Luftwaffe wurden die Challenger bisher sechs Mal für Evakuationen eingesetzt. Aus Gründen des «Persönlichkeitsschutzes» und der «operativen Sicherheit» könne man dazu keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen, sagt Schröder. Für Rückführungen von Migranten und Migrantinnen kamen die Jets insgesamt 28 Mal zum Einsatz.
Bessere Auslastung dank «VIP-Flügen»
Der Bundesrat kaufte die beiden Flieger per 2019. Zur gleichen Zeit ergriff er Massnahmen, um seine Flotte – zu der nun auch die Challenger gehörten – besser auszulasten: Er erweiterte etwa den Kreis der Berechtigten für die «VIP-Flüge» des Lufttransportdiensts.
Davor waren diese den Mitgliedern des Bundesrats, dem Bundeskanzler sowie dem Präsidenten oder der Präsidentin des Nationalrats oder Ständerats vorbehalten. Neu können auch Staatssekretäre, der Bundesanwalt oder geladene Staatsgäste den Staatsjet statt das Linienflugzeug nehmen.

Wer beim Bund arbeitet und statt dem Linienflieger einen Challenger-Jet nutzen will, muss einen «dienstlichen Zweck im Interesse der Eidgenossenschaft» erfüllen. Zudem muss der Dienst entweder wirtschaftlicher sein als ein Linienflug oder aber die «Unannehmlichkeiten» oder die Dauer der Reise erheblich vermindern. (Symbolbild)
Tamedia/Adrian MoserDie beiden Challenger waren zwischen 2019 bis 2023 während 566 Stunden als Flugtaxi für Top-Beamte unterwegs. Aus Mitteilungen der Luftwaffe geht hervor, dass die Jets ab 2020 regelmässig für VIP-Flüge zum Einsatz kamen.
Behind-the-Scenes
Am Anfang dieser Recherche steht eine freihändige Vergabe, der im Dezember auf der Beschaffungsplattform Simap.ch publiziert wurde. Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz verlangte 20 Minuten im Januar Einsicht in einen von drei Wartungsverträgen für die ehemaligen Rega-Jets. Im Februar konnte 20-Minuten-Redaktorin Delia Bachmann den Vertrag am Armasuisse-Hauptsitz in Bern im Beisein von fünf Spezialisten einsehen. Parallel dazu bestand eine umfangreiche, aber nicht ganz einfach schriftliche und mündliche Korrespondenz mit der Armee, der Luftwaffe und Armasuisse.
Der gewünschte Effekt stellte sich bald ein: «Es gab 30 Prozent weniger Flüge ohne Passagiere, die externen Einmietungen sanken von 48 auf 2,5 Stunden und es fielen weniger Kosten für Linienflüge an», teilte der Bund ein Jahr nach der Erweiterung mit. Was genau «externe Einmietungen» sind, erklärten die Behörden nicht.
Die Luftwaffe stellt sich heute auf den Standpunkt, dass auch die VIP-Flüge und Flugshows im Ausland konform sind mit dem Zweck der Beschaffung. Die Jets seien sehr gut ausgelastet.
Kosten für die Wartung steigen massiv an
Die Wartung der beiden Challenger-Jets hat die Schweiz bisher 5,6 Millionen Franken gekostet. Ein Klacks im Vergleich zu den Kosten, die noch auf die Schweiz zukommen könnten. Erst vor kurzem hat sie die insgesamt drei Verträge für fünf Jahre erneuert. Die Zuschläge zeigen: Der Unterhalt dürfte massiv teurer werden. Laut Schröder stehen die Flieger während 35 Prozent der Zeit am Boden für Unterhaltsarbeiten.

Die Wartung der beiden Challenger-Jets kostete die Schweiz bisher 5,6 Millionen Franken – Tendenz steigend. Luftwaffe-Sprecherin Nadine Schröder spricht von einer «progressiven» Zunahme von ausserordentlichen Unterhaltsarbeiten. (Symbolbild)
20min/Simon GlauserFür die Wartung der Jets als Ganzes erhielt die französische Firma Dassault den Auftrag. Deren Offerte lag zwischen 17,7 und 43 Millionen Franken. Den effektiven Betrag gibt Armasuisse auf Anfrage nicht bekannt. Dazu kommen weitere Kosten: Bis zu 9 Millionen Franken will die Schweiz der kanadischen Bombardier für Ersatzteile zahlen. Weitere 900’000 Franken erhält die US-Firma Honeywell für die Wartung des Hilfstriebwerks.
Würdest du gerne mit dem Privatjet fliegen?
Die beiden Jets sollen bis 2031 im Einsatz sein. Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz konnte 20 Minuten den Vertrag mit Honeywell einsehen. Hier hat sich der Bund für das Goldprogramm entschieden. Dieses sieht einen 24-Stunden-Service an sieben Tagen pro Woche vor. «Die beiden Flugzeuge müssen rund um die Uhr einsatzbereit sein», sagt die Luftwaffen-Sprecherin dazu.
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