Thomas Aeschi – der Weltenbürger der SVP

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Eis go zieh mit ...Thomas Aeschi – der Weltenbürger der SVP

Er hat an der Elite-Uni Harvard studiert, in einem buddhistischen Kloster meditiert und in Syrien Hochzeit gefeiert. Jetzt politisiert Thomas Aeschi für eine «weltoffene SVP».

von
D. Pomper

Dem Treffen mit dem Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi geht eine E-Mail voraus, in der er drei Restaurantvorschläge macht. Jeder ist mit einem Plus- und einem Minuspunkt versehen. Der Entscheid fällt auf den Rosengarten (Plus: Blick auf die Stadt Bern. Minus: Verlängerte Anreise). Aeschi bestellt das Lammhuft und ein Glas Humagne Rouge.

In seinem 36-jährigen Leben hat Aeschi schon viele Plus- und Minuslisten erstellt, abgewogen und rasch Entscheidungen gefällt. Etwa als er als 16-jähriger Gymnasiast für ein Austauschjahr nach Chicago zog («Dort wurde die Neugierde auf fremde Länder in mir geweckt»). Oder sich für das Wirtschaftsstudium an der HSG entschied («Mich hätte auch ein Studium der Naturwissenschaften oder der internationalen Beziehungen interessiert»), ein zweijähriges Nachdiplomstudium an der Elite-Universität Harvard absolvierte («Das Beste waren die Führungs- und Verhandlungskurse») oder er für ein Austauschsemester nach Malaysia, ein muslimisches Land, ging («Mich faszinierte das Unbekannte, das kulturell und religiös Andersartige»).

«Beim Meditieren kläglich gescheitert»

Aeschi, der im Tausend-Seelendorf Allenwinden im Kanton Zug aufgewachsen ist und als Kind jede freie Minute auf einem Bauernhof verbrachte, schwärmt, wenn er von fremden Ländern erzählt. In Myanmar zog er sich in ein buddhistisches Kloster zurück um zu meditieren. «Aber ich bin kläglich gescheitert. Ich habe schnell gemerkt, dass mein Unternehmerdrang stärker war als der Wunsch, mein inneres Ich zu ergründen. Auch war ich zu unbeweglich für die Lotusposition.»

Seine Abenteuerlust war damit aber nicht gestillt. Aeschi reiste für ein weiteres Austauschsemester nach Tel Aviv, weil er sich für den Nahost-Konflikt interessierte («Hier war der Unterricht bei weitem anspruchsvoller als in St. Gallen oder Malaysia»). Allerdings nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Motorrad über Land durch die Türkei, Syrien und Jordanien. Auf der Durchreise hatte er in Syrien eine technische Panne. «Ein Einheimischer eilte herbei und versuchte mir zu helfen, obwohl wir uns nicht verständigen konnten.» Bis das Fahrzeug wieder auf Vordermann war, dauerte es eine Woche. Während dieser Zeit lebte er im Haus seines Helfers und war sogar Gast an einer Hochzeit. «Die Liebenswürdigkeit und die Gastfreundschaft der Syrer werden mir in Erinnerung bleiben.» Was jetzt in Syrien passiere, tue ihm schrecklich leid.

Aeschi ist nicht einer, der sich zurücklehnt, nachdem er ein Ziel erreicht hat. Das süsse Nichtstun macht den Unternehmensberater nicht glücklich. Sondern das Neue, das Anpacken, das auf den Grund gehen, das Verändern und das Weiterentwickeln. Er ist keiner, der hadert. Effizienz – das betont er immer wieder – ist ihm wichtig. Und doch gewinnt man den Eindruck, dass ihm seine Zeit – trotz seines intensiven Lebensstils – für alle Vorhaben, die er noch erreichen möchte, nicht reicht.

«Herr Aeschi, warum sind Sie bei der SVP?»

Das Gespräch dauert schon fast eine Stunde. Aeschi, Sohn eines Steuer- und Unternehmensberaters und einer Krankenschwester, hat noch kein Wort über die SVP verloren. Kriminelle Ausländer, Sozialhilfebetrüger oder «fremde Richter» waren bislang kein Thema. Warum politisiert der weitgereiste Akademiker (72 Länder hat er besucht) für die SVP?

Er erinnere sich ganz genau an den Tag, an dem er politisiert worden sei, sagt er. Es war der 6. Dezember 1992, als der EWR-Beitritt scheiterte. «Ich war zwar erst 13, aber ich habe gespürt, dass es hier um eine ganz wichtige Frage geht. Nämlich um unsere Unabhängigkeit und die Zukunft unseres Landes.»

Je mehr Zeit er im Ausland verbrachte, desto mehr stellte er fest, wie gut es der Schweiz dank der direkten Demokratie ging. «Zu diesem System müssen wir Sorge tragen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Machtverhältnisse durch den schleichenden EU-Beitritt gekehrt werden und eine kleine Elite dem Volk diktiert, wo es langgeht.» Genau das wolle aber der Bundesrat mit dem institutionellen Rahmenabkommen, das zur automatischen Übernahme von EU-Recht und zur Anerkennung von EU-Richtern auf Schweizer Boden führe. Internationale Gremien dürfe man nicht überschätzen. «Auch dort gibt es mächtige Interessengruppen, welche ohne direkte Demokratie ein einfacheres Spiel haben», sagt Aeschi.

«Die SVP ist eine weltoffene Partei»

Dass politische Gegner versuchten, die SVP als rassistische Abschottungs-Partei darzustellen, ärgert Aeschi. «Wir sind eine weltoffene, kulturell interessierte Partei, die sich für eine freie, selbstbewusste und nicht einseitig auf die EU fokussierte Schweiz einsetzt.» Dieses «wahre Bild der SVP» gelte es besser zu vermarkten. Doch wie passt diese Beschreibung mit den bekannten SVP-Plakaten zusammen, auf denen weisse Schafe schwarze Schafe aus dem Land kicken? Oder dunkle Hände gierig nach dem Schweizer Pass greifen? «Wer diese Plakate als rassistisch interpretiert, hat die Message nicht verstanden», findet Aeschi. Es sei wichtig, die Problematik krimineller Ausländer oder der «Masseneinwanderung» zu thematisieren und Lösungen zu finden: «Die Schweiz und besonders unsere Sozialwerke können eine so grosse Zuwanderung schlicht nicht verkraften.»

Neben den klassischen SVP-Themen hat Finanzpolitiker Aeschi allerdings noch eine zweite Priorität. Sein Fokus liegt auf dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Schweiz: «Es stehen schwierige Jahre vor uns. Doch weil es vielen von uns hier schon fast zu gut geht, realisieren wir nicht, wie in Asien eine enorm wettbewerbsfähige Generation heranwächst, die unsere Wirtschaft stark unter Druck setzen wird.» Aeschi erzählt von chinesischen Müttern und Vätern, die Tag und Nacht arbeiteten, und keine Ansprüche hätten, das Leben zu geniessen. Diesen Konkurrenzdruck aus Asien werden wir in Zukunft immer stärker spüren. Statt sich einseitig auf die EU als Handelspartner zu beschränken, sollte sich die Schweizer Wirtschaft deshalb dringend stärker Richtung Asien und USA ausrichten.

Politkarriere dank Tipps aus Harvard

Aeschi hofft, dass er mit seiner politischen Arbeit zu diesem Ziel etwas beitragen kann. Aber die Zeit eilt ihm oft zu schnell voraus. «Jetzt sind schon bald vier Jahre vergangen und ich habe das Gefühl, noch zu wenig erreicht zu haben. Die bürokratischen Mühlen mahlen langsam in Bern.» Dabei sei es wichtig, dass er seine Zeit in Bern möglichst sinnvoll und effizient nutze.

Effizienz – nicht nur Aeschis Berufs-, sondern auch seine Politkarriere beschreibt dieses Wort am besten. 2009 wurde er Präsident der SVP Baar, 2010 wurde er ins Zuger Kantonsparlament gewählt, 2011 wurde er Vizepräsident der SVP Zug (die er seit dem Fall Hürlimann präsidiert). Im gleichen Jahr zog er als Nationalrat in Parlament. «Wenn ich etwas mache, dann engagiert und pflichtbewusst», sagt Aeschi. «Ich sehe mich als Diener des Volkes, der auf die Menschen zugeht, sie versteht und ihre Sorgen ernst nimmt, um dann in Bundesbern im Sinne der Stimmbürger die Politik zu verändern.» Um es so schnell an die Spitze zu schaffen, habe er die Tipps und Tricks angewendet, die er in Harvard erlernt hat: «Ich war der Erste im Kanton, der tausende Door-Hangers mit meinem Foto an die Haustüren der Bürger gehängt habe.»

Wenn er mit diesem Tempo weitermacht, dann sei es doch nur eine Frage der Zeit, bis Aeschi Bundesrat werde, oder nicht? Der Rastlose winkt ab: «Irgendwann werde ich meinen politischen Beitrag geleistet haben, dann gehe ich wieder zurück in die Privatwirtschaft. Ich werde sicher nicht bis 65 in Bundesbern bleiben. Das würde zu stark an meiner Geduld zehren.»

Vier Fragen an Thomas Aeschi

Was war Ihr erster Job?

Ich habe während der Kanti in der Mittagspause bei Subway Sandwiches gemacht.

Wann haben Sie das letzte Mal geweint?

Als ich kürzlich ausserhalb von Buenos Aires die Armut gesehen haben. Argentinien gehörte einst zu den reichsten Ländern der Welt. Ineffiziente politische Führung und Korruption haben diesen Wohlstand zerstört. Das hat mir Tränen in die Augen getrieben.

Wann haben Sie das letzte Mal gebetet?

Gestern Abend.

Erinnern Sie sich an ihren ersten Kuss?

Das war als Teenager, total durchnässt nach einem Herbstgewitter.

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