Tiktok-Hype«Nimmt Tänzern Jobs weg»: Tanzlehrer kritisieren Zahide
Zahides Tanzskills begeistern Tiktok – viele würden die Schritte gerne so beherrschen wie die 14-Jährige. Für Schweizer Tanzlehrer hat das Ganze aber einen Haken.
Darum gehts
Zahide begeistert Millionen auf Tiktok, doch ihre Tanzqualität wird von Experten kritisch angesehen.
Tanzlehrer Mike Rath lehnt Zahides Musik ab und sieht negative Einflüsse auf junge Tänzer.
Die Verbreitung von Tiktok-Tänzen erschwert es professionellen Tänzern, Anerkennung zu finden.
Zahide (14) aus Deutschland begeistert mit ihren Tänzen und Songs auf Tiktok Jugendliche. Über sieben Millionen Fans hat sie schon für sich gewinnen können. Mit ihren Bewegungen setzt sie Trends, die von zahlreichen Menschen nachgemacht werden. Ihre Tanzschule Lunatix profiliert sich vor allem mit Hip-Hop.
Für Audrey Moreno (32) und Mike Rath (34), die Hip-Hop-Tanzschulen in der Schweiz führen, ist Tiktok eine tolle Sache, hat jedoch einen grossen Haken. Die Tänzerinnen und Tänzer in ihren Tanzschulen sind auch schon auf die 14-Jährige aufmerksam geworden. «In den Classes wird viel über sie geredet, aber meistens nicht unbedingt im positiven Rahmen», sagt Audrey. Wieso, verraten sie im Interview.
Wird in euren Tanzschulen zu Zahides Musik getanzt?
Mike: Ich würde ihre Musik in den Stunden mit den Kindern nicht laufen lassen, weil ich es unangebracht finde, dass ein Kind in dem jungen Alter mit ihrer Musik derartige Nachrichten übermittelt.
Audrey: Dem stimme ich zu.
Wie gut kann Zahide tanzen, anhand von dem, was man auf ihren Tiktoks sieht?
Mike: Ich finde, im kommerziellen Tanzbereich auf Tiktok gibt es Schlechtere, aber wenn ich das Tanzen auf einer professionellen Basis anschaue, finde ich sie nicht gut. Es kommt auf Tiktok gut an, aber als professioneller Tänzer muss ich sagen, dass es noch an vielem fehlt.
Audrey: Für das, dass sie vor einem Handy tanzt, holt sie raus, was geht. Aber auf einem professionellen Level ist es nicht das, was es sein sollte. Bei so einem Bekanntheitsgrad erwartet man mehr. Es könnte besser sein, aber zugegebenermassen ist es auch besser als viele andere, die das in den sozialen Medien machen.
Wie beeinflusst Zahides Hype eure Arbeit?
Audrey: Es ist sowohl erfreulich als auch bedenklich. Einerseits macht es das Tanzen wieder sehr beliebt. Andererseits geht die Qualität von jahrelang trainierten Skills verloren. Neueinsteiger haben das Gefühl, dass die Geschichte und die Kultur des Tanzens von Instagram oder Tiktok kommt. Nichtsdestotrotz kommen dadurch auch neue, gute Tänzerinnen und Tänzer zum Vorschein. Es ist ein Geben und Nehmen.
Mike: Man merkt, wenn man Tiktok-Tänze verfolgt, dass Leute, die wenig Ahnung vom Tanzen haben und einfach etwas machen, plötzlich sehr viele Views erreichen. Profis, die das Gleiche auf einem viel höheren Niveau machen, haben hingegen fast gar keine Aufrufe. Ein weiterer Punkt ist, dass kleine Kinder Zugriff auf Tiktok haben und viele der Tänze meiner Meinung nach von den Bewegungen her nicht jugendfrei sind. Solche Sachen haben einen sehr negativen Einfluss.
Wie viel haben diese Tiktok-Tänze mit Hip-Hop zu tun?
Mike: Gar nichts. Überhaupt nichts. Tiktok-Tänze gehen ins Kommerzielle oder befinden sich in einer eigenen Sparte. Hip-Hop ist eine Kultur und nicht einfach nur ein Tanz. Man braucht ein gewisses Knowledge, was alles zu Hip-Hop gehört, um es zu tanzen.
Audrey: Das Gute daran ist, dass Lieder aus den 90ern wieder aufkommen. Andererseits werden Tänze kopiert, bei denen niemand den Kontext versteht. Es werden Schritte kopiert, aber das Verständnis dafür fehlt. Es hat nichts mehr mit Hip-Hop zu tun. Menschen verstehen nicht mehr, dass es einen Unterschied gibt. Es gibt vereinzelte Hip-Hop-Creators, die die Plattformen nutzen, um ihr Werk zu zeigen. Es wird aber häufig eine Choreo nachgemacht, ohne Credits zu geben. Das nimmt uns den Job weg, weil niemand mehr in die Classes kommt, wenn man die Tänze über die sozialen Medien lernen kann.
Könnte die Online-Dance-Academy von Lunatix für herkömmliche Schweizer Tanzschulen eine Konkurrenz darstellen?
Mike: Solche Online-Programme gibt es schon sehr lange. Ich habe auch schon selbst mit solchen Programmen trainiert. Es ist ein gutes Training und man ist zeitlich flexibel, aber dadurch fehlt der soziale Kontakt. Besonders Hip-Hop funktioniert nicht einfach alleine zu Hause vor dem Handy.
Audrey: Vor allem während Corona ist das ein Hype geworden. Wenn jemand das Wissen hat, finde ich es eine tolle Sache. Das nimmt aber den Tanzschulen nicht den Platz weg, weil es nicht das Gleiche ist. Alleine zu Hause zu trainieren ist etwas ganz anderes als in einer Gruppe, wo man Feedback hat.
Was denkst du über den Einfluss von Tiktok-Tänzen auf die Tanzkultur?
Die Experten
Audrey Moreno (32) ist Inhaberin der Tanzschule Chibu Dance Studio in Uster. Als Tanzlehrerin, Choreografin und Background-Tänzerin konnte sie schon zahlreiche Erfolge verzeichnen. 2022 gewann sie die Schweizer Meisterschaft im Hip-Hop und tanzte anschliessend an der Weltmeisterschaft in Los Angeles.
Michael «Mike» Rath (34) leitet seit 2022 die Tanzschule Dancefactory4you in St. Gallen. Als Choreograf und Tanzlehrer einer jungen Tanzgruppe qualifizierten sie sich mit einem Sieg in der Schweiz an den «World of Dance» in Los Angeles. Sein Tanzstyle ist eine Mischung aus House, Locking, Popping und Hip-Hop. Er tanzt seit er 13 Jahre alt ist.
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