200 Töfffahrer protestieren auf Gotthardpass gegen Lärmobergrenze

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Motorrad-Demo200 Töfffahrer protestieren auf Gotthardpass gegen Lärmobergrenze

Motorräder mit einem Standpegel von über 95 Dezibel sollen ein Fahrverbot erhalten, fordert SP-Nationalrätin Gabriela Suter. Töfffahrer gehen jetzt auf die Barrikaden.

Darum gehts

  • SP-Nationalrätin Gabriela Suter fordert ein generelles Fahrverbot für Motorräder mit einem Standpegel von über 95 Dezibel.
  • Dagegen wehren sich Motorradfahrer.
  • Mit einer Protestaktion auf dem Gotthardpass wollen sie ein Zeichen setzen.
  • Zur Demo auf dem Pass erschienen rund 200 Fahrer.

«Gegen die Diskriminierung der Motorradfahrer: Nein zu Fahrverboten»: Mit diesem Slogan riefen Schweizer Töfffahrer am 8. August zu einer Motorrad-Demo auf dem Gotthardpass auf. Grund dafür ist die parlamentarische Initiative der Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter. Unter dem Titel «Endlich wirksam gegen lärmende Motorräder vorgehen» fordert sie ein generelles schweizweites Fahrverbot für Motorräder mit einem Standpegel von über 95 Dezibel.

«In der Schweiz sind die überlauten Motorräder insbesondere auf beliebten Passstrassen in den Voralpen und Alpen, aber auch im Mittelland ein grosses Ärgernis», führt Suter in ihrem Vorstoss an. Der Lärm beeinträchtige dabei Mensch und Natur übermässig. Dabei verweist sie auf das Beispiel Tirol: Auf beliebten Ausflugsstrecken sind seit dem 10. Juni Motorräder verboten, deren Standgeräusch 95 Dezibel überschreitet. Wer das Fahrverbot missachtet, riskiert eine Busse in der Höhe von 220 Euro.

Das geforderte Fahrverbot für laute Motorräder betreffe nur eine kleine Minderheit, sagt Suter: «Knapp 10 Prozent der Motorradfahrer sind für über die Hälfte der Lärmemissionen verantwortlich.» In Tirol betrage das Standgeräusch bei zugelassenen Motorrädern im Durchschnitt 85 Dezibel. «Plus 10 Dezibel werden vom menschlichen Gehör aber als eine Verdoppelung der Lautstärke wahrgenommen. 95 Dezibel klingen also doppelt so laut wie 85 Dezibel.» Es hätten sich Leute bei ihr gemeldet, die wegen des Töfflärms ihren Balkon am Wochenende nicht mehr benutzen können, sagt Suter. Darum sei klar: «Gegen die extrem lauten Töffs muss nun konsequent vorgegangen werden.»

Ducati, Harley und Kawasaki

Triumph- und Harley-Davidson-Fahrer, BMW- und Ducati-Liebhaber, Kawasaki- und Suziki-Piloten aus allen Landesteilen sind am Samstagmorgen auf der Gotthardpassstrasse zum Hospiz gekurvt. Dort wurden sie von der Tessiner Polizei auf einen abgesperrten Abschnitt der alten, noch mit Kopfsteinen gepflasterten Strasse gelotst.

Sorgfältig, unter Mithilfe der Polizei, parkierten sie rückwärts ihre Maschinen in zwei Kolonnen an den Strassenrand. Einige Motorräder waren mit Totenköpfen dekoriert, alle aber sauber geputzt und mit blank polierten Auspuffrohren.

Rund 250 Motorradfahrer haben sich am Samstagmittag mit ihren Maschinen auf dem Gotthardpass versammelt, um still gegen drohende neue Lärmvorschriften zu demonstrieren.
Triumph- und Harley-Davidson-Fahrer, BMW- und Ducati-Liebhaber, Kawasaki- und Suziki-Piloten aus allen Landesteilen waren vor Ort.
Die Tessiner Polizei hatte die Demonstranten auf einen abgesperrten Abschnitt der alten, noch mit Kopfsteinen gepflasterten Strasse gelotst.
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Rund 250 Motorradfahrer haben sich am Samstagmittag mit ihren Maschinen auf dem Gotthardpass versammelt, um still gegen drohende neue Lärmvorschriften zu demonstrieren.

KEYSTONE

«Enteignung und Fahrzeugrassismus»

Die Stimmung unter Schweizer Motorradfahrern ist extrem aufgeheizt. Während sich der Schweizer Motorrad-Branchenverband Motosuisse und die Verbände SAM und IG Motorrad gegen Töff-Demos zum aktuellen Zeitpunkt aussprechen, geht die Motorrad-Gemeinschaft Fighterfriends.ch auf die Barrikaden.

In einem Artikel auf dem Portal Moto.ch schildern sie ihren Missmut, schreiben von «Enteignung» und «Fahrzeugrassismus» und rufen zur Demo am 8. August auf. «Sollte die Idee der SP-Nationalrätin Gabriela Suter Realität werden, hätte das gravierende Folgen, die sich viele in ihren schlimmsten Albträumen bislang nicht haben vorstellen wollen.»

Eine Übertreibung sei das nicht, betont Bernardo Hanisch, Präsident von Fighterfriends.ch: «Wenn der Vorstoss durchkommt, können viele von uns ihre Maschinen auf den Schrottplatz werfen.» Grundsätzlich befürworte er gesetzlich festgelegte Lärmobergrenzen für neu zugelassene Fahrzeuge.

Wenn die Richtlinie jedoch für bisher zugelassene Motorräder gelte, komme das einer Enteignung gleich, sagt Hanisch. Er rechnete damit, dass einige Hundert bis tausend Personen an der Demo auf dem Gotthardpass teilnehmen werden. «Damit zeigen wir, dass wir uns gegen diese versteckte Enteignung im Namen der Umwelt und gegen Streckensperrungen für laute Motorräder wehren.»

Motorrad-Boom

Noch im Frühjahr warnten Schweizer Motorradhändler vor nicht einholbaren Umsatz- und Verkaufseinbussen. Mittlerweile hat der Wind gedreht: 2020 könnte gar ein Rekordjahr werden, wie Moto.ch schreibt. So seien zwischen Januar und Juli 2020 insgesamt 21’832 neue Töffs über 50 ccm eingelöst worden. Letztes Jahr waren es noch deren 19’055. Verantwortlich dafür ist unter anderem der Umstand, dass ab 2021 der Direkteinstieg in die leistungsstärkste Motorradklasse nicht mehr möglich ist (20 Minuten berichtete).

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