Stundenlang unbemerktToter im Tram hatte vierzig verpasste Anrufe auf seinem Handy
Vor bald zwei Wochen starb Pietrantonio De Sando im 2er-Tram. Nun erzählt sein Sohn einige Details des Vorfalls.
Darum gehts
Der 64-jährige Pietrantonio De Sando starb vor fast zwei Wochen im Tram und fuhr danach unbemerkt stundenlang weiter.
Sein Sohn spricht nun über die Hintergründe des Vorfalls.
Demnach hatte der Verstorbene rund vierzig verpasste Anrufe auf seinem Handy.
Bald zwei Wochen ist es her, dass der 64-jährige Pietrantonio De Sando im 2er-Tram verstarb und mehr als sechs Stunden unbemerkt leblos weiterfuhr. Die Anteilnahme bei der Familie ist gross. «Wir erhalten viele Anrufe und Briefe – auch von fremden Personen», sagt Sohn David. Es sei schwierig loszulassen. «Das Ereignis ist uns noch sehr nah.»
Mit etwas zeitlichem Abstand spricht De Sando nun öffentlich über einige Details des Vorfalls. «Mein Vater ist pünktlich um 6.21 Uhr bei der Haltestelle Micafil ins Tram eingestiegen und nahm Platz auf einem Einersitz in der Mitte des Fahrzeugs», erzählt der 40-Jährige. Mit einem Anzug und hellblauem Hemd sei der Schneider, der in Kalabrien aufgewachsen ist, wie immer gut angezogen gewesen.
Mit Händen im Schoss eingeknickt
Beim Lochergut sei der Vater leicht eingeknickt. Das zeigten Aufnahmen der Überwachungskamera. Dann habe er nach links und rechts geschaut. Nur Augenblicke später knickte er mit den Händen im Schoss erneut ein und blieb regungslos sitzen. «Unser Trost ist, dass er nicht gelitten hat», sagt De Sando.
An der Haltestelle Paradeplatz wäre der 64-Jährige ausgestiegen. Er arbeitete für das Modehaus Gross Couture an der Zürcher Bahnhofstrasse, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. Als er um 8.30 Uhr immer noch nicht im Geschäft war, meldete sich eine Mitarbeiterin beim Sohn. «Er hat in seinen über vierzig Jahren im Geschäft nie gefehlt», sagt dieser. Die Polizei habe daraufhin die Wohnung des Vaters kontrolliert und die Spitäler kontaktiert – erfolglos.
Eine Pflegefachfrau fand ihn
Mehrere Runden machte der leblose Körper im Tram, ohne dass es jemand bemerkt hat. Erst nach 13 Uhr wurde eine Pflegefachperson auf den Toten aufmerksam, kurz nachdem sie ins Tram eingestiegen ist. Sie habe ihn zuerst angesprochen, dann den Puls gefühlt und bemerkt, dass sein Körper schon erkaltet war. «Ich konnte mit ihr telefonieren, was ich sehr schön fand. Sie sagte, dass sie sofort bemerkt habe, dass etwas nicht stimmt. Es sehe anders aus, wenn jemand schläft.»
Die Frau informierte den Tramchauffeur, der einen Notruf absetzte. Auf dem Mobiltelefon des Toten waren letztlich vierzig verpasste Anrufe, wie sich später zeigte. «Der Klingelton war auf laut eingestellt. Ich kann mir immer noch nicht erklären, warum keiner vorher reagiert hat.»
Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?
Hier findest du Hilfe:
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorge, Tel. 044 206 30 67
Lifewith.ch, für betroffene Geschwister
Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen
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