Trotz EinkommenLungo (48) lebt trotz 4000-Franken-Lohn auf der Strasse
Bauarbeiter aus dem Schengenraum und Food-Kuriere: Ein WC-Häuschen mitten in Zürich dient Obdachlosen als Dach über dem Kopf. Lungo (48) erzählt, wieso er dort schläft, obwohl er 4000 Franken im Monat verdient.
Darum gehts
In Zürich leben einige Arbeiter aus dem Schengenraum und Food-Kuriere trotz regelmässigem Einkommen auf der Strasse.
Lungo (48), ein Bauarbeiter aus Rumänien, schläft draussen unter dem Vordach eines WC-Häuschens.
Obwohl er laut eigenen Aussagen 4000 Franken im Monat verdient, findet er keine Bleibe – und ein Hotel ist ihm zu teuer.
Auch andere Arbeiter sind von ähnlichen Problemen betroffen und erzählen, wie schwer es ist, Zugang zum Wohnungsmarkt zu finden.
Lungo (48) aus Rumänien arbeitet drei Monate pro Jahr als Bauarbeiter in der Schweiz – ohne Bleibe. Sein Zuhause: unter dem Vordach eines WC-Hauses auf einer Matratze mitten in Zürich. Obwohl er laut eigenen Angaben 4000 Franken verdient, fehlt ihm wegen fehlender Papiere der Zugang zu einer Wohnung.
«Ich arbeite auf Baustellen, mal hier, mal dort. Ich verdiene Geld, aber ohne festen Arbeitsvertrag findet man in Zürich nichts zum Wohnen. Deshalb schlafe ich draussen.» Die Notschlafstelle sei wegen der fehlenden Niederlassungsbewilligung keine Option.
Schlafplatz wird von mehreren Obdachlosen genutzt
Ein Hotel? Zu teuer. «Ich habe Frau und Kind in der Heimat. Nach drei Monaten nehme ich das Geld mit nach Hause – davon leben wir.»
Kurzaufenthaltsbewilligung (L)
Kurzaufenthalter (Ausweis L) sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich befristet, in der Regel für weniger als ein Jahr, in der Schweiz aufhalten. EU/Efta-Angehörige erhalten den Ausweis L, wenn sie in der Schweiz ein Arbeitsverhältnis zwischen drei Monaten und einem Jahr nachweisen können. Für Anstellungen unter drei Monaten brauchen sie keine Bewilligung, sie müssen aber das Online-Meldeverfahren durchführen.
Sein Schlafplatz wird auch von anderen genutzt – denn es ist einer von rund 90 bekannten Orten für Obdachlose in Zürich, wie die aufsuchende Sozialarbeit (sip züri) schildert. Auch ein Uber-Eats-Fahrer wird dort gelegentlich gesichtet.
«Sip züri ist dieser Schlafplatz bekannt. Generell werden geeignete und nicht übermässig versteckte Schlafplätze von verschiedenen Personen genutzt», sagt Isabel Hammer, Stabsmitarbeiterin des Sozialdepartements.

Bei den Zürcher Food-Kurieren, die sich jeweils vor der Sihlporte treffen, ist die Suche nach einer Bleibe ein Dauerthema.
20min/Céline TrachselEinige Food-Lieferanten in Zürich obdachlos
Als 20 Minuten mit Zürcher Food-Lieferanten an ihren neuralgischen Treffpunkten das Gespräch sucht, wird schnell klar: Dass Arbeiter aus dem Ausland Mühe haben, hier ein Dach über dem Kopf zu finden, ist unter den Kurieren ein Dauerthema. «Zum Glück habe ich ein Zimmer, welches ich dank Freunden von Freunden gefunden habe», erzählt ein Kurier (40) aus Osteuropa, «aber ich habe von mehreren Uber-Eats-Fahrern gehört, die obdachlos sind.»
«Ich habe von mehreren Uber-Eats-Fahrern gehört, die obdachlos sind.»
Der 40-Jährige erzählt: «Wenn du nach Zürich kommst, als Essenslieferant keinen fixen Arbeitsvertrag und kein Netzwerk hast, ist der Zugang zum Wohnungsmarkt fast unmöglich. Auch für die, die eigentlich das Geld hätten, um Miete zu bezahlen. Aber finde mal was in dieser Situation!»
«Der Lohn reicht knapp zum Essen»
Ein Franzose (28) erzählt: «Ich war Pizzalieferant für eine bekannte Kette und schlief gleichzeitig auf Bänken, oft ganz in der Nähe von diesem WC-Haus. Obwohl ich ein Einkommen hatte, fand ich monatelang weder eine Wohnung noch ein WG-Zimmer in Zürich. Ich hatte keine Adresse, konnte keinen Betreibungsauszug vorweisen und hatte nur eine Kurzaufenthaltsbewilligung.»

«Ich war Pizzalieferant in Zürich und schlief gleichzeitig auf diesen Bänken», erzählt ein Franzose.
20min/Céline TrachselEs sei quasi unmöglich für Leute wie ihn, ohne Beziehungen eine Bleibe in Zürich zu finden. «Andere schlafen zu viert in einem Zimmer. Die Situationen sind teils sehr prekär und der täglich variierende Lohn reicht knapp zum Essen.»
Kaum jemand verdiene viel. «Viele gehen bald wieder – die Schweiz ist einfach zu hart.» Er selbst wohne heute im Aargau in einem Studio. «Das war nur dank eines Freundes möglich und weil der Vermieter keine Anforderungen stellte.»
«Viele gehen bald wieder – die Schweiz ist einfach zu hart.»
Zwei bis drei Dutzend Obdachlose zur Zeit
Der sip züri sind zwei bis drei Dutzend Personen bekannt, die derzeit draussen übernachten. «Wir besuchen sie regelmässig. Sie sind meist gut ausgerüstet», sagt Isabel Hammer. Die rund 90 bekannten Schlafplätze auf Stadtgebiet würden sich aber nicht alle im öffentlichen Raum befinden. «Darunter sind zum Beispiel auch Tiefgaragen, Unterführungen oder Waldhütten.»
Die aufsuchenden Sozialarbeiter sprechen die Obdachlosen, die sie antreffen, an und klären sie über die Unterstützungsmöglichkeiten auf. «Bei Bedarf begleitet sip züri die Menschen in die entsprechenden Institutionen.»
Notschlafstelle ist eigentlich nur für Stadtzürcher
Die Notschlafstelle ist jedoch nur für Personen gedacht, die in der Stadt Zürich gemeldet sind. «Personen aus dem Ausland werden beispielsweise ins Iglu oder ins Nachtcafé Pace gebracht. Das Iglu ist eine spezialisierte Notschlafstelle für Wanderarbeitende», sagt Isabel Hammer.
«Bei Minustemperaturen oder in ausgewiesenen Notsituationen dürfen aber auch auswärtige Personen für eine Nacht oder ein Wochenende in der städtischen Notschlafstelle unterkommen.»
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.