Führen die neuen Massnahmen zu Staus vor den Läden?

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Sperrstunde ab 19 UhrFühren die neuen Massnahmen zu Staus vor den Läden?

Seit Samstag gilt in der Schweiz eine Sperrstunde. Doch manche Konsumenten gehen jetzt einfach früher shoppen: Vor den Läden bildeten sich am Wochenende Schlangen.

Vor vielen Schweizer Läden gab es diesen Samstag Schlangen.
Der Bundesrat hat eine Sperrstunde eingeführt, die seit Samstag gilt.
Läden dürfen nur noch bis 19 Uhr geöffnet haben und bleiben am Sonntag ganz geschlossen.
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Vor vielen Schweizer Läden gab es diesen Samstag Schlangen.

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Darum gehts

  • Die Sperrstunde hat Kunden nicht vom Einkaufen abgeschreckt.

  • Am Samstag gab es vielerorts Schlangen vor den Läden.

  • Es wird befürchtet, dass wegen der kürzeren Öffnungszeiten mehr Ansammlungen entstehen.

In der Schweiz gibts derzeit keinen Sonntagsverkauf – auch nicht an der Tankstelle. Auch sonst müssen Läden um 19 Uhr schliessen. Mit dieser Sperrstunde will der Bund die Konsumenten dazu bewegen, dass sie zu Hause bleiben – so sollen sich Menschenansammlungen vermeiden lassen. Diese Wirkung spürte man jedoch nicht: Statt zu Hause zu bleiben, überrannten die Konsumenten am Samstag die Schweizer Einkaufsmeilen.

«Der Laden war total überlaufen», sagt etwa Maria*, die am Samstag im Coop in Dietlikon war. Auch bei Migros war laut Leserinnen und Lesern der Andrang gross und es kam zu Wartezeiten. Vor kleineren Shops mussten Kunden warten, da nur sehr wenige Personen gleichzeitig in die Geschäfte gelassen wurden. «Eine lange Schlange blockierte die Strasse und es war chaotisch», erzählt Michaela*. Sie war am Samstag in Biel unterwegs.

Warteschlange statt Karussell

Auch in den Einkaufszentren sind die Kundenzahlen trotz der Pandemie hoch: Im Glattzentrum sei der vergangene Samstag ein «normaler, gut besuchter Samstag in der Vorweihnachtszeit» gewesen, heisst es auf Anfrage. Um genügend Platz zum Warten vor den Läden zu schaffen, habe man das Weihnachtskarussell abbauen müssen. Dafür habe man den Kunden Tartufi von Globus offeriert – die Süssigkeiten seien sehr gut angekommen.

Die Migros bestätigt zwar, dass es am Samstag teils zu Wartezeiten kam, versichert aber: «Die Frequenzen konnten gut aufgefangen werden, alles lief ruhig und geordnet ab.» Bei Coop heisst es, die Kundenfrequenz bewege sich im normalen Rahmen der Weihnachtszeit. Aldi Suisse hat am vergangenen Samstag gar mehr Kunden gehabt als üblich, wie eine Sprecherin zu 20 Minuten sagt.

Die Konsumenten strömen also trotz Pandemie in Scharen in die Läden. Media-Markt schreibt auf Anfrage: «Es ist nicht auszuschliessen, dass die Warteschlangen vor Weihnachten wahrscheinlich noch länger werden.» Denn an den Vorgaben der Einlasskontrolle könne kein Geschäft etwas ändern. In grössere Läden darf pro 10 Quadratmeter derzeit nur ein Kunde eingelassen werden.

Ob die Massnahmen des Bundes am Ansturm mitschuldig seien, sei allerdings kaum messbar, sagt Retail-Experte Marcel Stoffel zu 20 Minuten: Weil die Frequenzen gerade im Dezember immer besonders hoch sind, sei unklar, ob die Sperrstunde der einzige oder gar der Hauptgrund für den grossen Andrang ist.

Eins ist aber klar: Im Gegensatz zur Gastronomie bringe die Sperrstunde im Detailhandel nicht so viel, sagt Stoffel. «Kunden verschieben das Abendessen nicht auf 16 Uhr – aber das Einkaufen schon.»

Wegen der kleineren Zeitfenster könnte die Massnahme des Bundes also kontraproduktiv sein – so sieht es auch Christa Markwalder, Präsidentin der Swiss Retail Federation: «Wir befürchten, dass die Einschränkung der Verkaufszeiten genau dazu führt, dass mehr Leute auf einmal in die Läden wollen. Das hilft nicht, Menschenansammlungen zu vermeiden.» Markwalder ist der Meinung, man hätte das Gegenteil machen müssen: die Öffnungszeiten ausdehnen und auch mehr Sonntagsverkauf als sonst erlauben.

Kontakte vermeiden

Das sind die Tipps fürs Einkaufen

Die Detailhändler und Einkaufszentren geben ihren Kunden und Kundinnen diese Tipps, damit unnötige Kontakte auch im Laden vermieden werden können:

  • Grosseinkäufe machen, statt mehrfach pro Woche in den Laden gehen

  • Nur eine Person pro Haushalt einkaufen schicken

  • Randzeiten nutzen (vor allem am Morgen)

  • Unter der Woche statt am Samstag einkaufen

  • Geschenke frühzeitig kaufen

  • In der Weihnachtswoche zu Wochenbeginn einkaufen gehen

Im Laden gilt es natürlich, die Schutzmassnahmen zu berücksichtigen. Dazu gehören Hygienemassnahmen, Abstandsregeln, Maskenpflicht und die Begrenzung der Personenzahl in den Geschäften.

Anhand der Erfahrung aus dem Lockdown im Frühling erwartet Dominik Georgi, Experte für Konsumentenverhalten an der Hochschule Luzern, allerdings, dass die Leute längerfristig weniger einkaufen gehen werden. «Die Ansammlungen am Samstag waren wohl eher eine kurzfristige Reaktion.»

Die meisten Konsumenten würden nun beginnen, Grosseinkäufe zu planen, damit sie weniger häufig in die Läden gehen müssen. Für die Detailhändler dürfte das wohl kaum von Nachteil sein. Im Gegenteil: Im Lockdown waren die Umsätze gar gestiegen.

Online-Boom weiter angetrieben

Die Sperrstunde dürfte laut Branchenexperte Stoffel auch dafür sorgen, dass Konsumenten teilweise eher online bestellen – eben weil sie nach 19 Uhr nicht mehr in den Laden können. Damit treibt der Bund den bereits seit Frühling verstärkten Online-Boom noch weiter voran.

Im Gegensatz zu den konzentrierten Menschenmassen in den Shoppingzentren kann das Internetshopping dabei helfen, unnötige Kontakte zu vermeiden. Gerade bei den Lebensmitteln dürfte der Onlinehandel allerdings wie bereits Anfang Jahr schnell an seine Kapazitätsgrenzen stossen, wenn die Schweizer grossflächig versuchen würden, ihre Einkäufe ins Internet zu verlagern.

*Namen geändert

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