TürkeiErdogan-Widersacher Imamoglu in Haft genommen
Der wichtigste Gegenspieler von Präsident Erdogan ist in seinem Haus festgenommen worden. Als Grund für die Inhaftierung von Ekrem Imamoglu wird Korruption angeführt.
Darum gehts
Die türkische Justiz hat Haftbefehl gegen den Bürgermeister von Istanbul erlassen.
Ekrem Imamoglu gilt als bedeutendster Gegner von Präsident Erdogan und will diesen bei den nächsten Wahlen herausfordern.
Am Tag zuvor war bereits der Hochschulabschluss Imamoglus annulliert worden.
Wenige Tage vor seiner geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der grössten Oppositionspartei in der Türkei ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu (53) verhaftet worden – einer der wichtigsten Kontrahenten von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Das bestätigte die Partei CHP, die Imamoglu am Sonntag offiziell zu ihrem Kandidaten für die nächste reguläre Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 ernennen wollte.
CHP-Chef Özgür Ozel sprach von einem «Putschversuch» und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie: Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1,7 Millionen Partei-Mitglieder dazu auf, trotz der Verhaftung am Sonntag an der parteiinternen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen. Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte derweil eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre bis Sonntag.
Imamoglu wird unter anderem die Führung einer kriminellen Organisation und Korruption vorgeworfen, wie aus dem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft hervorgeht. Neben ihm wird demnach gegen 99 weitere Beschuldigte ermittelt.

Der Bürgermeister von Istanbul gilt als aussichtsreicher Herausforderer von Präsident Erdogan.
IMAGO/ZUMA Press WireEkrem Imamoglu: «Hunderte Polizisten vor der Haustür»
Imamoglu veröffentlichte am Morgen auf der Plattform X ein Video, in dem er davon sprach, dass Hunderte Polizisten vor seiner Haustür stünden. «Wir befinden uns im Angesicht einer grossen Tyrannei», schrieb er dazu. Er werde aber nicht aufgeben. Mehrere Fernsehsender berichteten, die Polizei habe sich Zutritt zu Imamoglus Anwesen verschafft und das Gebäude durchsucht.
Soziale Netzwerke nur eingeschränkt nutzbar
Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre bis Sonntag – an dem Tag soll Imamoglu zum Spitzenkandidaten gekürt werden. In der Millionenmetropole waren Strassen gesperrt, auch der zentrale Taksim-Platz und etliche Bahnstationen wurden geschlossen.
Etliche soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste waren nur eingeschränkt nutzbar. Viele Türken beschrieben Drosselungen und Beschränkungen unter anderem auf X, Youtube, Instagram, Tiktok, Whatsapp sowie Signal und Telegram.
Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen Imamoglu hatte sich schon vorher angekündigt. Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Istanbul-Universität ihm den Hochschulabschluss aberkannt hat. Dieser ist Voraussetzung zur Kandidatur für das Präsidentenamt. Hintergrund der Annullierung soll ein angeblich unrechtmässiger Universitätswechsel sein. Imamoglu erklärte, er wolle gegen die Entscheidung vor Gericht ziehen, habe aber «das Vertrauen in faire Urteile verloren». Ihm drohen in einer Reihe weiterer Verfahren Haftstrafen und Politikverbote.
Sein Anwalt Kemal Polat hatte der Deutschen Presse-Agentur vor Bekanntwerden des Haftbefehls gesagt, Imamoglu könne erst als Präsidentschaftskandidat antreten, wenn alle Rechtswege gegen die Entscheidung ausgeschöpft seien. Der Vorsitzende der CHP, Özgür Özel, sprach von einer politischen Entscheidung.
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