Über-Akademisierung«Gefahr für Berufslehre»: Hat die Schweiz zu viele Studierende?
Im Ständerat wird diskutiert, ob es eine Aufnahmeprüfung an den Unis geben soll, um die Anzahl Studenten zu reduzieren und die Berufslehre zu stärken.
Studierendenanteil: Darum gehts
Immer mehr Menschen studieren in der Schweiz – für SVP-Politiker Josef Stark zu viele. Deswegen bringt er im Ständerat das Thema Aufnahmeprüfungen an Universitäten auf den Tisch.
Auch Economiesuisse sieht in dem zunehmendem Ausbau der Akademisierung eine Gefährdung des Schweizer Systems. Die für die Wirtschaft wichtige Berufslehre leide.
SP-Ständerätin und Bildungspolitikerin hält den Vorschlag Starks für nicht zielführend: «Es ist total unfair, wenn deswegen Junge aus gewissen Kantonen mit Aufnahmeprüfungen bestraft werden.»
Entscheidet in Zukunft der Herkunftskanton über die Chancen, an einer Uni aufgenommen zu werden? Zumindest, wenn es nach SVP-Mann Josef Stark geht, soll das bald Realität werden. Der Ständerat behandelt am Mittwoch seine Nachfrage, ob bei Kantonen mit einer Maturaquote über 20 Prozent an den Unis ein Aufnahmetest eingeführt werden soll.
In der Diskussion um den Fachkräftemangel wird des Öfteren die Ansicht einer Über-Akademisierung erwähnt. Selbst der Bundesrat hat eine Entwicklung hin zur Höherqualifizierung eingeräumt.
Maturitätsquoten gefährden berufliche Grundbildung
Auch der Dachverband der Schweizer Wirtschaft sieht in dem Ausbau der schulischen Angebote eine Gefahr für die Berufslehre, wie Rudolf Minsch, Chefökonom und stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Economiesuisse, sagt.
«Gleiches gilt auch für steigende Maturitätsquoten.» Gerade die Berufslehre biete eine Ausbildung, die sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts ausrichtet und die dadurch schnell an veränderte Anforderungen angepasst werden kann.
SP-Ständerätin: «Falscher Ansatz»
Von Starks Forderung gar nicht überzeugt ist SP-Ständerätin und Bildungspolitikerin Flavia Wasserfallen: «Das ist der komplett falsche Ansatz.» Man müsse beim Bildungszugang die Hürden abschaffen, anstatt neue zu kreieren.

Der Vorstoss überzeugt Bildungspolitikerin und SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen nicht. Sie hält ihn nicht für zielführend: «Das ist der komplett falsche Ansatz», sagt sie.
20min/Matthias SpicherGäbe es zwischen den Kantonen Probleme bei der Harmonisierung der Maturitätsquoten, dann müsse das auch unter den Kantonen geregelt werden. «Es ist total unfair, wenn deswegen Junge aus gewissen Kantonen mit Aufnahmeprüfungen bestraft werden», moniert sie.
Zudem habe die Schweiz bereits eine der tiefsten Maturitätsquoten. «Ich sehe keine Gründe für eine noch stärkere Begrenzung.»
Tiefe Jugendarbeitslosigkeit dank Berufslehre
«Die im internationalen Vergleich tiefe Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel ist ein Beleg dafür, dass unser System gut funktioniert», so Minsch. Deswegen gelte es zu verhindern, dass die berufliche Grundbildung durch einen weiteren Ausbau der schulischen Angebote weiter geschwächt wird.
Deswegen müsse die Alternative zur akademischen Ausbildung gestärkt werden, meint Minsch: «Die Vorteile der Berufslehre, die dank der Durchlässigkeit des Systems alle Karrierewege offenlässt, gilt es wieder stärker zu betonen und in die Öffentlichkeit zu tragen.»
Würde dich eine Aufnahmeprüfung vom Studium an der Uni abhalten?
Schweiz nicht überakademisiert
Philip Bauer der Universität Luzern relativiert die Situation jedoch. «Aufgrund des dualen Bildungsweges ist die Schweiz grundsätzlich weniger von Überakademisierung betroffen als andere Länder, etwa in Südeuropa.»
Trotzdem sei es wichtig, auch nicht akademische Bildungswege zu fördern. «Werden Fähigkeiten und Fertigkeiten von Absolventen nicht nachgefragt, kann das negative Folgen für Individuen und Firmen mit sich ziehen.»
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