«Das Baby musste ins Spital»

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KindertagesstättenÜberforderte Kita-Praktikanten? Jetzt nennen sie ihre wahren Probleme

Die Kantone wollen, dass Auszubildende im ersten und zweiten Lehrjahr keine Verantwortung für Kinder mehr übernehmen. Betroffene Betreuungspersonen haben dazu konträre Meinungen.

Die Kantone fordern einen einheitlichen Qualitätsstandard für Kindertagesstätten und eine Erhöhung der Betreuungsqualität.
«Ständig haben Leute gekündigt und Teams wurden gewechselt, darunter litt auch die Qualität der Kita-Betreuung», erklärt die 26-jährige Luziana. 
Die 22-jährige Laura ist da ganz anderer Meinung: «Ich bin im dritten Lehrjahr in einer Kita und finde es eine absolute Frechheit, diese Forderungen».
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Die Kantone fordern einen einheitlichen Qualitätsstandard für Kindertagesstätten und eine Erhöhung der Betreuungsqualität.

IMAGO

Darum gehts

  • Das Problem von überforderten Kita-Praktikanten und -Praktikantinnen ist schon länger bekannt – jetzt fordern die Kantone einen einheitlichen Qualitätsstandard.

  • Praktikanten und Praktikantinnen sollen noch keine Verantwortung für die Kinder übernehmen, Lernende erst im dritten Lehrjahr.

  • Eine Umfrage von 20 Minuten zeigt unterschiedliche Reaktionen.

Lange Arbeitstage, wenig Ferien und Stress mit den Kindern: In vielen Kindertagesstätten in der Schweiz herrscht Notstand wegen Personalmangel und knapper Finanzen.

Nun wollen die Kantone die Qualität der Betreuung in den Kindertagesstätten verbessern und schweizweit vereinheitlichen. Unter anderem dadurch, dass Praktikanten, Praktikantinnen und Lernende im ersten und zweiten Lehrjahr nicht mehr Verantwortung für Kinder übernehmen. Eine Umfrage von 20 Minuten zeigt folgende Reaktionen:

Anna, 26 Jahre: «Zehn Stunden am Tag zu arbeiten war schon fast normal»

«Zehn Stunden am Tag zu arbeiten war schon fast normal – ich bin froh, dass ich den Mut gefunden habe, zu kündigen». Anna ist seit dem Jahr 2020 Fachfrau Betreuung EFZ. Auch sie litt unter dem Personalmangel und den immer wachsenden Kitas. «Ständig haben Leute gekündigt und Teams wurden gewechselt, darunter litt auch die Qualität der Kita-Betreuung. Viele Lernende müssen täglich Überstunden leisten oder dürfen ihre Ferien nicht beziehen – es war wie in einer Sekte».

Aus ihrer Sicht wurden die Kinder teilweise traumatisiert, die Grundbedürfnisse der Kinder konnten oftmals nicht direkt befriedigt werden. Zwei Menschen könnten alleine einfach nicht auf zwölf Babys aufpassen, das sei unmenschlich. «Ein Kind musste aufgrund einer allergischen Reaktion ins Spital gebracht werden, da eine Betreuerin, die über meine Pause aushelfen musste, nichts von der Allergie wusste». Anna unterstütze auf jeden Fall die Vorschläge von den Kantonen, es gehe schliesslich um einen Menschen.

Cyril, 24 Jahre: «Im zweiten Lehrjahr ist Verantwortung möglich»

Cyril hat sein Praktikum in einer Kita in Solothurn absolviert, dort wurden Praktikanten zur Hälfte zum Betreuungsschlüssel gezählt - ein Praktikant gilt damit quasi als «halbe» Fachperson. «Für mich hat das wunderbar geklappt: Ich konnte Verantwortung übernehmen, Zeit mit den Kindern verbringen und musste nicht nur putzen oder kochen.» In vielen Kinderbetreuungsstätten habe der Personalmangel jedoch zur Folge, dass Lernende oder Praktikanten mehr Verantwortung übernehmen müssen, als für sie tragbar wäre - dies werde von vielen Kitas ausgenutzt, erklärt Cyril. «Ich finde die Vorschläge der Sozialdirektoren- sowie der Erziehungsdirektorenkonferenz daher mehrheitlich berechtigt und wichtig – Kinder brauchen Zeit, um sich an die Betreuerinnen und Betreuer zu gewöhnen und die Kinderbetreuung braucht gut ausgebildetes Personal mit fairen Arbeitsbedingungen.»

Etwas übertrieben fände er aber, dass auch Praktikanten oder Lernende im zweiten Lehrjahr nicht im Betreuungsschlüssel mitgerechnet werden. In gewissen Situationen könnten diese die Kitas bereits entlasten und unterstützen. «Sie bekommen die Möglichkeit, Gelerntes auch mit den Kindern umzusetzen. Hinsichtlich des Personalmangels könnte das auch zum Beispiel bei Ausfällen zum Problem werden», so Cyril.

Laura, 22 Jare: «Lernende müssen Verantwortung übernehmen»

Es gibt auch ganz andere Meinungen dazu. «Ich bin im dritten Lehrjahr in einer Kita und finde es eine absolute Frechheit, diese Forderungen – wie sollen die Lernenden Verantwortung übernehmen und Abläufe kennenlernen, wenn sie die Chance dazu nicht erhalten?» Laura durfte von Anfang an Verantwortung übernehmen, im ersten Lehrjahr nur wenig und dann immer mehr, das finde sie auch richtig so, schreibt sie. 

Was hältst du von den Vorschlägen der Sozialdirektoren- sowie der Erziehungsdirektorenkonferenz?

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