Ukraine-KriegAbschaffung der Armee: SP streitet über Punkt im Parteiprogramm
Im Moment scheint die geopolitische Weltlage nicht gerade vielversprechend für Pazifisten. Deshalb werden auch in der SP Rufe lauter, die Abschaffung der Armee aus dem Parteiprogramm zu nehmen.
Darum gehts
Die SP diskutiert über die Abschaffung der Armee im Parteiprogramm.
Priska Seiler Graf und andere SP-Politiker fordern eine Anpassung an die aktuelle geopolitische Lage.
Einige SP-Mitglieder sehen die Armee-Abschaffung als langfristiges Ziel.
«Ihr wollt ja die Armee ohnehin abschaffen», der Satz macht Priska Seiler Graf, Nationalrätin der SP und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK), zu schaffen. Tatsächlich steht seit 2010 die Abschaffung der Armee im Parteiprogramm der SP.
Während des Ukraine-Krieges und der Abkehr der USA von Europas Sicherheitsinfrastruktur scheint dies für Sicherheitspolitikerinnen und -politiker in der SP immer schwieriger mit der Realität zu vereinbaren, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. «Es würde mir die Arbeit erleichtern, wenn die SP den Abschaffung-Passus aus dem Parteiprogramm streichen würde», so Seiler Graf.
«Heute mehr denn je»
Die Sicherheitspolitikerin steht damit nicht alleine. Andrea Zryd, SP-Nationalrätin aus Bern, wünscht sich eine «der geopolitischen Situation angepasste Strategie» ihrer Partei. Sie sei schon immer der Meinung gewesen, dass es die Armee brauche. «Doch das gilt heute mehr denn je.»
Franziska Roth, SP-Ständerätin aus Solothurn, fordert ebenfalls eine armeefreundlichere Politik von ihrer Partei – seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. «Dieser Abschaffung-Passus wird uns immer um die Ohren gehauen. Er gehört nicht ins Parteiprogramm», sagt Roth.
Was hältst du von der Abschaffung der Armee?
Auch SP-Ständerat Daniel Jositsch äussert Kritik an dem Abschaffungspunkt im Parteiprogramm. «Ich war nie dafür. Aber jetzt kann niemand mehr ernsthaft fordern, die Armee abzuschaffen», wird er zitiert. Seine liberale SP-Reformplattform arbeitet zurzeit an einem Positionspapier, in dem es auch um die Armee geht.
«Fernziel einer Welt ohne militärische Gewalt»
Nicht die gesamte SP Fraktion will die Armee-Abschaffung aus dem Parteiprogramm streichen. Nationalrat Fabian Molina, der ebenfalls Mitglied der SIK ist, weist darauf hin: «Die Abschaffung der Armee ist ein Fernziel.» Dieses Fernziel halte ihn als SP-Parlamentarier nicht davon ab, sich für eine möglichst bedrohungsgerecht ausgerichtete Armee einzusetzen, «solange wir eine haben».
Co-Präsident der SP Cédric Wermuth will ebenfalls an der Abschaffung als Ziel festhalten. Nachdem er die Orte der Gräueltaten der russischen Armee in der Ukraine besucht hatte, sei er mehr denn je in seiner Überzeugung bestärkt, «dass das Fernziel einer Welt ohne militärische Gewalt richtig ist». Eine Revision des Parteiprogramms sei ihm zufolge in nächster Zeit nicht vorgesehen.
Wermuth weist aber auch darauf hin, dass, bis das Ziel erreicht sei, es «leider auch militärische Abwehr gegen die (russische) Aggression» brauche. Dafür würde sich die SP seit drei Jahren einsetzen.
SP auch historisch hin- und hergerissen
Für Peter Hug, Historiker und früherer politischer Sekretär der SP, sei die Armee-Abschaffung im Parteiprogramm «eine Katastrophe». Er ist überzeugt, dass die Mehrheit der Partei und ihrer Wählerschaft die Armee nicht abschaffen will. Der Delegiertenentscheid von 2010 sei «eine Panne» gewesen.
2010 haben die Delegierten für die Aufnahme der Forderung der Abschaffung der Armee ins Parteiprogramm gestimmt. Treibende Kraft waren die Juso unter dem damaligen Präsidenten Cédric Wermuth.
Es sei ein Irrglaube, dass die SP schon immer gegen die Armee gewesen sei, sagt Hug weiter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe der sozialistische Antimilitarismus zwar Auftrieb erhalten. «Doch blieben Pazifisten in der Partei eine Minderheit», so Hug. Ab 1930 verstummten auch diese beinahe gänzlich, angesichts der faschistischen Bedrohung.
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