Nach Kritik : Umstrittener Winnetou-Film wird in Schweizer Kinos nicht gezeigt

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Nach KritikUmstrittener Winnetou-Film wird in Schweizer Kinos nicht gezeigt

«Der junge Häuptling Winnetou» hätte am 20. Oktober anlaufen sollen. Doch der Verleiher hat ihn aus dem Programm genommen. Kino-Betreiber Christian Riesen ist enttäuscht.

Der Kinderfilm «Der junge Häuptling Winnetou» wird in Schweizer Kinos wohl nicht zu sehen sein. 
Der neue Winnetou-Streifen hätte am 20. Oktober den Schweizer Kinostart feiern sollen. 
Daraus wird nun aber voraussichtlich nichts. 
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Der Kinderfilm «Der junge Häuptling Winnetou» wird in Schweizer Kinos wohl nicht zu sehen sein. 

https://www.derjungewinnetou-film.de/

Darum gehts

Es gibt Filme, die sind wenig spektakulär, aber sorgen für grosse Diskussionen. So auch «Der junge Häuptling Winnetou», der in Deutschland und Österreich seit Mitte August in den Kinos läuft. Kinostart in der Schweiz wäre am 20. Oktober gewesen, doch daraus wird nun nichts, wie Recherchen von 20 Minuten zeigen.

Denn der Verleiher Ascot Elite, der den Film gegenüber den Kinos für den 20. Oktober angekündigt hatte, entfernte ihn nachträglich wieder aus dem Programm. Das sagt Christian Riesen, der in Oensingen SO das Kino Onik betreibt. Aktiv darüber informiert hat Ascot Elite nicht - Riesen hat bemerkt, dass der Film nicht mehr im Programm steht.

Ascot Elite ist laut eigenen Angaben dafür nicht zuständig: «Wir besitzen keinerlei Rechte an dem Film», sagt PR-Chefin Karin Rüegg. Etwas anderes sagt die Münchner Co-Produktionsfirma Leonine Studios. «Die Rechte des Films sind bei Ascot Elite», sagt eine Mitarbeiterin gegenüber 20 Minuten. Eine weitere Anfrage beantwortet Ascot Elite nicht mehr.

Wärst du den Film im Kino schauen gegangen? 

Offensichtlich wollte Ascot Elite den Film zeigen, hat sich dann aber umentschieden. Hintergrund ist eine Kontroverse um den neuen Winnetou-Film, der in den Augen von Kritikern rassistische Klischees über amerikanische Ureinwohner wiederbelebt und die Verbrechen an ihnen verharmlost.

Diese Debatte begann schon Anfang Jahr, worauf der Ravensburger Verlag wegen Protesten im August zwei Bücher zum Film zurückzog. Nun ist offenbar auch dem Schweizer Verleiher unwohl geworden.

«Wäre perfekt für das Weihnachtsgeschäft»

Für Kinobetreiber Christian Riesen ist das schade: Der Trailer sei seit dem Sommer 2021 bei allen Kinderfilmen gelaufen, nun sei der Film aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen gesperrt worden. Dabei wäre er perfekt gewesen für das Weihnachtsgeschäft, sagt Riesen. Er kenne mehrere Kinobetreiber, die ihn gern gezeigt hätten. Er habe null Verständnis für das «Riesentheater» um den Film, sagt der 50-Jährige, der in seiner Jugendzeit alle Karl-May-Bücher gelesen hat.

Riesen, der für die SVP im Gemeinderat Wangen bei Olten politisiert, musste deshalb nicht lange überlegen, als die junge SVP im Kino Onik einen Winnetou-Abend veranstalten wollte. Die junge SVP hat mit dem Filmabend, an dem sie den «Schatz im Silbersee» zeigte, den Abschluss ihrer Petition «Rettet Winnetou» gefeiert, die laut Parteipräsident David Trachsel über 9000 Mal unterzeichnet wurde. «All diese Leute haben ein Zeichen gegen die intolerante Woke-Kultur gesetzt», sagt Trachsel.

Gut besucht am Zurich Film Festival

In den Schweizer Kinos kommt der Film nun wohl nicht mehr - bis ein neuer Verleiher gefunden ist, werde er kaum mehr interessieren, sagt Riesen. Gelaufen ist er hingegen zweimal am Zurich Film Festival (ZFF), das damit ein Zeichen gegen die «grassierende Cancel Culture» setzen wollte, wie ZFF-Direktor Christian Jungen sagt. «Der junge Häuptling Winnetou» sei sehr gut besucht worden und der Zuspruch sei enorm, auch von Politikern aller Couleur und Filmschaffenden, die eher links stünden. Sie hätten sich bei ihm bedankt. «Eine kleine, meist anonyme Gruppe ist fähig, viel Lärm zu machen – und Veranstalter bekommen deswegen kalte Füsse», sagt Jungen.

Anderer Ansicht ist Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin. Er geht davon aus, dass der Film aus geschäftlichen Überlegungen gestrichen wurde. «Ich könnte mir vorstellen, dass der Film in Deutschland und Österreich keine ausreichend beeindruckenden Besucherzahlen erspielen konnte. Auch die Filmkritiken waren ja eher verhalten.» Doch es sei ja oft so: «Es wird Cancel Culture vermutet, wo eigentlich nur ein Mangel an Interesse herrscht.» 

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