LebensmittelverschwendungUmweltorganisationen fordern «Doggy Bags»-Pflicht gegen Food-Waste
Um den Food-Waste in der Gastronomie zu verringern, fordern Experten die obligatorische Einführung von Doggy Bags. Doch davon hält die Politik wenig.
Darum gehts
In der Schweiz landen jährlich 2,8 Millionen Tonnen an essbaren Lebensmitteln im Abfall. Das entspricht rund 330 Kilogramm pro Person. Gegen diesen Food-Waste hat der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet. Allerdings sind die Massnahmen bislang auf freiwilliger Basis. In Spanien hingegen sollen Gastronomiebetriebe dazu verpflichtet werden, ihren Gästen anzubieten, ihre Essensreste in einem «Doggy Bag» mit nach Hause zu nehmen.
Angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise und des dringlichen Handlungsbedarfs ist eine Doggy Bag-Pflicht eine Möglichkeit, den Foodwaste zu reduzieren. «Noch besser wäre es jedoch, wenn Restaurants ihre Menüs kleiner anbieten würden mit der Möglichkeit, nachschöpfen zu können», sagt Alexandra Gavilano, Expertin für ein nachhaltiges Ernährungssystem von Greenpeace. Das müsse den Gästen aktiv kommuniziert werden. Zudem sollte überschüssiges Essen gratis an dankende Abnehmerinnen und Abnehmer weitergegeben werden. Kurz gesagt: «Das Problem Food-Waste muss ganzheitlich angegangen werden.»
Restaurant gesetzlich verpflichten
Auch Claudio Beretta, Umweltwissenschaftler an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Bereich nachhaltige Ernährung und Präsident von Foodwaste.ch, sieht Vorteile in den Doggy Bags und fordert die Einführung einer entsprechenden Regelung. «Diese Massnahme ist wirksam, unumstritten und einfach umzusetzen.» Ein Gesetz, dass Gäste ein Anrecht auf Doggy Bags haben, sei ausserdem wirksamer als die Freiwilligkeit: «Die Restaurants würden dazu gezwungen, anzubieten, dass die Reste mitgenommen werden können. Die Gäste müssen das ja nicht annehmen.»
Das Problem Food-Waste könne aber nur gelöst werden, wenn alle Akteure an ihren Stellen anpacken. «Denn es sind nicht wenige Orte mit viel Abfall, sondern die vielen kleinen Orte, die in der Summe einen horrenden Food-Waste produzieren.» Zudem müssten die Konsumentinnen und Konsumenten besser auf Food-Waste sensibilisiert werden. Viele seien sich der Grösse des Problems Food-Waste nicht bewusst. «Das mit dem steigenden Wohlstand verbundene breite Angebot und die geringe Wertschätzung von Lebensmitteln verschärft den Food-Waste noch weiter.» Beretta fordert deshalb Schulungen für das Personal, etwa in Restaurants.
Grosses Einsparpotenzial für Gastronomie
Das tue man bereits grossflächig, sagt Daniela Kimmich von Gastro Suisse auf Anfrage. Neben Veranstaltungen und Kursen spiele die Vermeidung von Food-Waste auch in der Ausbildung eine wichtige Rolle. Denn nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sei Food-Waste problematisch. «Jedes Kilo Food-Waste kostet den Betrieb durchschnittlich 24 Franken.» Das Einsparpotenzial sei hier gross. Auch an Doggy Bags und Mehrweggeschirr bestehe bereits ein grosses Angebot. Trotzdem sei ein Wandel zu weniger Food-Waste zeitintensiv: «Der Wissenstransfer, die Sensibilisierung gegenüber den Gästen und ein Wandel der Esskultur nach dem Prinzip «Weniger ist mehr» passiert nicht von heute auf morgen.»
In der Politik stösst eine gesetzliche Verankerung von Doggy Bags auf wenig Anklang. Diese sind laut Grüne-Nationalrätin Meret Schneider bereits gang und gäbe. Auch sie fordert mehr Sensibilisierung, etwa beim Schöpfen von Portionen. Gleicher Ansicht ist auch SVP-Nationalrat Mike Egger. «Es braucht mehr Aufklärung, wie viel Lebensmittel wert sind und wie viel Herzblut von den Landwirten und Lebensmittelproduzenten drin steckt.»
Geringer Nutzen von Doggy Bags
Doggy Bags trügen kaum einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Food-Waste bei, sagt SP-Nationalrätin Martina Munz. «Alleine wegen des Namens sind sie fast etwas unappetitlich.» Eine effektivere Massnahme wären für Munz Prognosemodelle basierend auf Wetterdaten und dem Verhalten von Personengruppen. Nach ihnen könnten Restaurants ihr Einkaufsverhalten richten und so Food-Waste vermeiden, sagt Munz. Auch eine längere Datierung von verderblichen Lebensmitteln würde den Food-Waste massiv eindämmen.
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