ForschungUngeliebte Schädlinge
Die Wanderratte, die Bisamratte und der Sikahirsch sind die gefährlichsten aller eingeschleppten Säugetierarten in Europa. Warum?
Das Team um Sven Bacher von den Universitäten Freiburg und Bern entwickelte ein Punktesystem, um die Auswirkungen eingeschleppter Säugetiere auf Wirtschaft und Umwelt zu beurteilen. Untersucht wurde etwa, ob ein Einwanderer einheimische Pflanzen oder Tiere frisst oder verdrängt, und welche Schäden er in der Land- und Forstwirtschaft verursacht.
Insgesamt bewerteten die Wissenschaftler 34 Säugetierarten, die in den letzten 500 Jahren nach Europa eingeschleppt wurden und sich hier etabliert haben. Sie schätzten einerseits die tatsächlich angerichteten Schäden ab, andererseits das Schadenpotenzial einer Art, wenn sie sich in ganz Europa ausbreiten würde.
Dezimierte Kleintiere
Die Wanderratte, die Bisamratte und der Sikahirsch erreichten sowohl beim tatsächlichen Schaden als auch beim Schadenpotenzial besonders viele Punkte, wie Bacher und seine Kollegen im Fachmagazin «Conservation Biology» berichten. Besonders hohen Schaden richtet die ursprünglich aus Zentralasien stammende Wanderratte an.
Sie gelangte wahrscheinlich im 18. Jahrhundert nach Europa. Seither hat sie sich stark ausgebreitet und ist heute ausser in hohen Lagen fast flächendeckend zu finden. Die Wanderratte dezimiert kleinere Nagetiere, Fische und Vögel und richtet hohe Schäden an Getreidekulturen an.
Die aus Nordamerika eingeschleppte Bisamratte lebt in Seen und Flüssen. Sie richtet Schäden an der Wasservegetation an und kann Bewässerungssysteme und Dämme kaputt machen. Der Sikahirsch, der aus Ostasien stammt, verursacht vor allem in Forstplantagen grosse Schäden. Zudem kann er sich mit dem einheimischen Rothirsch kreuzen.
Grauhörnchen und Waschbär
Wie Bacher auf Anfrage sagte, gehören die Wanderratte und die Bisamratte auch in der Schweiz zu den schlimmsten Einwanderern unter den Säugetieren. Die Wanderratte sei im ganzen Land verbreitet, die Bisamratte vor allem im Norden. Sie breite sich aber rasch nach Süden aus.
Als ähnlich bedenklich für die Schweiz schätze er das Grauhörnchen und den Waschbär ein. Das Grauhörnchen komme zwar in der Schweiz noch nicht vor. Es wird aber befürchtet, dass es von Norditalien einwandern und das Eichhörnchen verdrängen könnte. Der Waschbär breite sich momentan aus und gefährde eventuell Arten wie das Haselhuhn.
Der Sikahirsch tritt heute erst in einigen Gebieten ganz im Norden der Schweiz auf, zum Beispiel im Kanton Schaffhausen, und kann momentan noch gut kontrolliert werden. Deshalb muss er laut Bacher in der Schweiz nicht als bedenklich eingestuft werden, sollte aber beobachtet werden.
Entscheidungshilfe
Ähnliche Listen wie für die Säugetiere könnten laut den Forschern auch für andere Tier- und Pflanzengruppen erstellt werden. Sie würden den Behörden helfen, die vorhandenen Mittel zur Bekämpfung und Ausrottung unerwünschter Arten gezielt einzusetzen.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Kontrollmassnahme spielten aber natürlich auch das Ausmass der Verbreitung sowie Kosten und Effizienz eine Rolle, sagte Bacher. Ob zum Beispiel die Wanderratte überhaupt noch ausgerottet werden könnte, ist zumindest fraglich.
(sda)