Atemwegsinfekte – Babys stecken sich derzeit ungewöhnlich oft mit RS-Virus an

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RS-VirenUngewöhnlich viele Atemwegsinfekte bei Kindern und Babys

Viele Säuglinge und Kleinkinder infizieren sich momentan mit RS-Viren. Eine derartige Häufung von Atemwegsinfekten im Sommer sei sehr ungewöhnlich, sagen Experten.

RSV kann vor allem für kleine Kinder unter zwei Jahren gefährlich sein und zu Komplikationen wie etwa Lungenentzündungen führen.
Im schweizweiten Projekt namens «RSV EpiCH» werden die Zahlen mittlerweile zusammengetragen.
Seit April steigen die Fälle an.
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RSV kann vor allem für kleine Kinder unter zwei Jahren gefährlich sein und zu Komplikationen wie etwa Lungenentzündungen führen.

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Darum gehts

  • In der Schweiz infizieren sich momentan viele Kinder mit RS-Viren.

  • Diese können vor allem bei jüngeren Kindern zu Komplikationen führen.

  • Experten und Expertinnen sprechen von einer ungewöhnlichen Häufung der Infektionen im Sommer.

  • Es sei davon auszugehen, dass die Immunität in der gesamten Bevölkerung gegen diese Infekte abgenommen hat, so Traudel Saurenmann, Chefärztin Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Kantonsspital Winterthur

Erkältungen, Fieber, akute Bronchitis: Momentan erkranken zahlreiche Säuglinge und Kleinkinder am sogenannten Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), einige von ihnen müssen zur Behandlung gar hospitalisiert werden. Vor allem bei Kindern unter zwei Jahren kommt es häufig zu Komplikationen, bei bis zu 40 Prozent der hospitalisierten Fälle kommt es laut dem Bundesamt für Gesundheit zu Lungenentzündungen.

Auch die Kinder von R.L. (31) infizierten sich kürzlich mit RSV. Der erst wenige Wochen alte Sohn verbrachte gar eine Woche im Spital: «Für kleinere Kinder ist RSV sehr gefährlich. Wir waren extrem dankbar, dass unser Sohn von den Behandlungsmöglichkeiten des Spitals, die dringend notwendig waren, profitieren konnte, so R.L. Mittlerweile habe sein Sohn das Spital verlassen können. Seine Kinder sind keine Ausnahmeerscheinung: «Das RS-Virus ist bei vielen Eltern momentan noch das grössere Thema als Corona.»

«Häufung ist sehr ungewöhnlich»

«In diesem Winter hatten wir die paradoxe Situation, dass die RSV-Infektionen bis April vollständig ausgeblieben sind. So etwas haben auch erfahrene Pädiater und Pädiaterinnen noch nie erlebt», sagt Traudel Saurenmann, Chefärztin Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Kantonsspital Winterthur (KSW). «Wir gehen davon aus, dass die Hygienemassnahmen gegen Corona bewirkt haben, dass auch die Infekte mit diesen Schnupfenviren letzten Winter nicht aufgetreten sind.» Es sei davon auszugehen, dass die Immunität in der gesamten Bevölkerung gegen diese Infekte abgenommen hat. «Die meisten Kinder unter 1,5 Jahren hatten gar nie eine Gelegenheit, eine Immunität aufzubauen.»

Mit zunehmenden Lockerungen seit dem Frühling habe man jetzt einen Anstieg der RSV-Infektionen verzeichnet, welche insbesondere bei ganz kleinen Säuglingen eine schwere Lungenentzündung auslösen können, sagt Saurenmann. «Eine solche Menge von Atemwegsinfekten in den Sommermonaten ist tatsächlich sehr ungewöhnlich.» Das gleiche Phänomen sei bereits in Australien beobachtet worden. «Wir gehen deshalb tatsächlich davon aus, dass es sich um einen gewissen Nachhol-Effekt handelt.»

«Kinderkliniken befürchten Überlastung der Bettenkapazitäten»

Die Covid-19-Pandemiemassnahmen hätten viele andere sehr häufige Infektionskrankheiten effektiv verhindert oder reduziert, sagt auch Andrea Duppenthaler, leitende Ärztin pädiatrische Infektiologie im Berner Inselspital. «Die sonst bei Säuglingen und Kleinkindern im Winter zahlenmässig sehr wichtige Infektionskrankheit durch RS-Viren ist ebenfalls nicht aufgetreten.»

In Australien sei es nach der Aufhebung der Hygienemassnahmen rasch zu einem enormen Anstieg der Infektionszahlen mit RSV gekommen. «Wie sich die RSV-Epidemie in den nächsten Wochen entwickelt und was uns in den sonst üblichen Monaten November bis April erwarten wird, bleibt abzuwarten», sagt Duppenthaler. «Die Kinderkliniken fürchten eine Überlastung der Bettenkapazitäten, wenn gleiches wie in Australien eintreffen sollte.»

Nationales RSV-Projekt gestartet

Die derzeitige Häufung von mit RS-Viren infizierten Kindern sei keinesfalls unerwartet, sagt Christian Kahlert, Leitender Arzt Infektiologie im Ostschweizer Kinderspital. «In anderen Ländern wie auch Kinderspitälern der Schweiz zeigt sich ein ähnliches Bild.» Man habe deshalb ein nationales Projekt namens «RSV EpiCH» gestartet, um die Infektionen zusammenzutragen. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Infektionen mit RSV in mehreren Kantonen zugenommen haben.

Die Anzahl betroffener Kinder mit RSV sei im Ostschweizer Kinderspital momentan noch tief, aber für die Jahreszeit ungewöhnlich, sagt Kahlert. «In der letzten Woche waren es neun Kinder, häufig sind sie noch sehr klein – also wenige Monate alt – und brauchen teilweise etwas Sauerstoff.»

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