Beschuss durch Rebellen: UNO gibt Ukraine Mitschuld an tödlichem Angriff auf Pflegeheim

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Beschuss durch RebellenUNO gibt Ukraine Mitschuld an tödlichem Angriff auf Pflegeheim

Bei Kämpfen im März kommen zahlreiche Pflegeheimbewohner zu Tode. Ukrainische Stellen sprechen von einer heimtückischen Aktion prorussischer Rebellen. Ein UN-Bericht sagt jetzt, dass diese Darstellung unvollständig war.

Die Region um Luhansk ist seit Wochen Schauplatz von schweren Kämpfen.
Ukrainische Soldaten hätten wenige Tage vor dem Angriff Stellungen in dem Gebäude in Stara Krasnjanka bei Sjewjerodonezk bezogen und es damit praktisch zu einem Ziel für Angriffe gemacht
Eine Frau steht vor ihrem Haus, das in Trümmern liegt.
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Die Region um Luhansk ist seit Wochen Schauplatz von schweren Kämpfen.

REUTERS ALEXANDER ERMOCHENKO

Darum gehts

Ein UN-Bericht hat ukrainischen Truppen eine Mitverantwortung am Angriff russischer Rebellen auf ein Pflegeheim in der Region Luhansk Anfang März zugewiesen. Ukrainische Soldaten hätten wenige Tage vor dem Angriff Stellungen in dem Gebäude in Stara Krasnjanka bei Sjewjerodonezk bezogen und es damit praktisch zu einem Ziel für Angriffe gemacht, hiess es in einem Bericht des UN-Kommissariats für Menschenrechte. Am 11. März hätten prorussische Rebellen dann mit schweren Waffen auf die Anlage geschossen, in der 71 Bewohnende und 15 Angestellte ohne Strom und Wasser ausharrten.

Dem Bericht zufolge gelang einigen wenigen Bewohnenden und Angestellten die Flucht in einen Wald, bevor sie schliesslich in fünf Kilometern Entfernung Hilfe fanden. Mindestens 22 Pflegeheimbewohnende hätten überlebt, die genaue Zahl der Toten sei noch nicht geklärt, hiess es. Der UN-Bericht beruht den Angaben zufolge auf Zeugenaussagen überlebender Angestellter und Informationen von Angehörigen von Bewohnenden. Die Dokumentation des Falles sei noch nicht abgeschlossen, sagte ein UN-Mitarbeiter.

Mit Panzer aus kurzer Entfernung auf Pflegeheim geschossen

Die ersten Medienberichte über den Angriff auf das Pflegeheim in Stara Krasnjanka gab es mehr als eine Woche nach den Kämpfen. Sie gaben weitgehend die Darstellung ukrainischer Regierungsvertreter wieder. Der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, erklärte am 20. März in seinem Telegram-Konto, russische Okkupanten hätten aus kurzer Entfernung mit einem Panzer zynisch und gezielt auf das Pflegeheim gefeuert und 56 Menschen getötet. Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa nannte die selbe Zahl. Keiner von beiden erwähnte, ob ukrainische Soldaten vor Beginn der Kämpfe in dem Gebäude waren.

Drei Tage später, am 23. März, warf die Menschenrechtskommissarin der Separatisten in Luhansk, Viktoria Serdyukowa, ukrainischen Kräften vor, die Menschen im Pflegeheim als Geiseln genommen zu haben. Beim Rückzug hätten sie dann das Haus in Brand gesteckt, viele Einwohnende seien lebendig verbrannt.

Die Regionalverwaltung prüft den UN-Bericht

Der UN-Bericht urteilte nicht, ob ukrainische Soldaten oder Separatisten in Stara Krasnjanka Kriegsverbrechen begangen haben. Der Kampf um das Pflegeheim sei jedoch ein Sinnbild für die Befürchtungen von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern, dass Zivilistinnen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht werden könnten, um Militäroperationen in bestimmten Gebieten zu verhindern, hiess es.

Die von Hajdaj geleitete Regionalverwaltung von Luhansk reagierte zunächst nicht auf Anfragen zu dem UN-Bericht. Das Büro der Generalstaatsanwaltschaft teilte der Nachrichtenagentur AP mit, es prüfe, ob sich ukrainische Soldaten in dem Pflegeheim aufgehalten haben. Es nannte eine Zahl von etwa 50 Toten, also weniger als im März.  

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(dpa/fos)

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