FlüchtlingsdramaUNO spricht von Massenmord
Ein Menschenschmugglerboot rammt ein Schiff mit 500 Flüchtlingen. Kaum einer scheint überlebt zu haben. Die Vereinten Nationen fordern eine gründliche Untersuchung.

Beim Drama im Mittelmeer werden 500 Todesopfer vermutet.
Die Anfang September im Mittelmeer ums Leben gekommenen Bootsflüchtlinge könnten nach Einschätzung der Vereinten Nationen Opfer eines Massenmords geworden sein. Das absichtliche Rammen eines Schiffs mit Hunderten wehrlosen Menschen an Bord sei ein Verbrechen, das nicht ungestraft bleiben dürfe, sagte der neue UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Prinz Said al-Hussein, am Freitag. Er forderte griechische, maltesische und italienische Behörden zur Zusammenarbeit mit Ägypten auf, das eine gründliche Ermittlung starten solle.
Überlebende hatten vergangene Woche berichtet, dass Menschenschmuggler ihr Boot Anfang September vor der Küste Maltas gerammt hätten. Das Flüchtlingsboot sei deshalb gesunken. An Bord seien auch 100 Kinder im Alter von weniger als zehn Jahren gewesen.
Glaubwürdige Aussagen
Die Vereinten Nationen und die Internationale Organisation für Migration fürchten, dass bei dem Vorfall bis zu 500 Syrer, Palästinenser, Ägypter und Sudanesen getötet wurden. Al-Hussein sagte, falls die Berichte der Überlebenden tatsächlich wahr seien - und sie alle erschienen glaubwürdig -, blicke man auf etwas, was Massenmord gleichkomme.
Die Vorfälle sollten von den Ländern so untersucht werden, als ob es sich um Bürger ihrer Staaten handele, die innerhalb ihrer Landesgrenzen von Gangstergruppen getötet worden seien, sagte er. Die Antwort auf das Verbrechen solle nicht weniger hart ausfallen, nur weil es auf hoher See stattgefunden habe und die Opfer Ausländer seien.
Rekordzahl an Todesopfern
Sollten sich die Zahlen bestätigen, wären in diesem Jahr bisher rund 2900 Migranten auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer ums Leben gekommen und damit so viele wie noch nie zuvor in einem Jahr. 2013 starben rund 700 Flüchtlinge. Seit Jahresbeginn wurden nach Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 100'000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Allein am vergangenen Wochenende fischten italienische Helfer fast 3000 Schiffbrüchige aus dem Wasser.
IOM-Sprecherin Christiane Berthiaume hatte am Montag gesagt, Zeugen hätten berichtet, das vor Malta gerammte Boot habe Anfang September die ägyptische Hafenstadt Damiette verlassen. An Bord seien rund 500 Syrer, Palästinenser, Ägypter und Sudanesen gewesen. Menschenhändler hätten das Boot in zwei Schiffen überholt und verlangt, dass die Migranten auf ihre Schiffe umsteigen.
Streit als Auslöser?
Zwei palästinensische Überlebende berichteten IOM-Mitarbeitern, es habe einen gewalttätigen Streit zwischen den Migranten und den Menschenhändlern gegeben, anschliessend hätten die Schlepper das Flüchtlingsboot gerammt. Lediglich neun Menschen überlebten den Angaben zufolge die Auseinandersetzung auf hoher See.
Die beiden überlebenden Palästinenser wurden von einem Frachter unter panamaischer Flagge aus dem Wasser geholt und nach Pozzallo in Italien gebracht. Die übrigen sieben Überlebenden des Vorfalls vor Malta wurden auf anderen Schiffen nach Kreta, Griechenland und Malta befördert. In Italien sind allein in diesem Jahr bis Ende August etwa 100'000 Flüchtlinge angekommen. 2013 waren es 42'000.
(sda)