Debatte um Corona-MassnahmenUnternehmen wehren sich gegen geplante Homeoffice-Pflicht
Am Freitag will der Bundesrat die Regeln fürs Homeoffice vorübergehend verschärfen. Wirtschaftsvertreter warnen: Ein Zwang sei das falsche Mittel und würde Hunderte KMU zerstören.
Darum gehts
Alain Berset will die Homeoffice-Quote wegen der Festtage steigern.
Der Gesundheitsminister will der Empfehlung mit einer schärferen Verordnung Nachdruck verleihen.
Die Wirtschaft wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine Homeoffice-Pflicht.
Derzeit gilt für Unternehmen eine Homeoffice-Empfehlung. Der Bundesrat will die Schrauben am Freitag aber anziehen: Im Vorentwurf der Verordnung, der 20 Minuten vorliegt, heisst es, dass Arbeitgeber dafür sorgen müssen, dass die Arbeitnehmer «so weit als möglich» von zu Hause aus arbeiten. Dafür müssten die Arbeitgeber «technische und organisatorische Massnahmen ergreifen». Die Verschärfung soll befristet bis zum 20. Januar gelten und so einer schnellen Ausbreitung des Virus nach den Festtagen entgegenwirken.
Wie der «Blick» schreibt, schlug das Bundesamt für Gesundheit den gleichen Wortlaut schon im Oktober vor. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass Homeoffice damit zur Pflicht würde. «Homeoffice ist damit nicht mehr nur eine Empfehlung des BAG, sondern es besteht nunmehr eine Pflicht zum Homeoffice, soweit dies betrieblich möglich ist.»
«Viele können gleich zumachen»
Die Formulierung lässt weiterhin Interpretationsspielraum offen. Laut der Zeitung stösst Berset mit seinem Vorschlag im Bundesrat aber erneut auf Widerstand. Auch Wirtschaftsvertreter fürchten sich vor hohen Kosten durch die Homeoffice-Pflicht. «Hanebüchen» fände etwa Roland Rupp, Präsident des Schweizerischen KMU-Verbands, eine Verschärfung: «Wenn Kleinstfirmen alle Mitarbeiter, für die das theoretisch möglich ist, ins Homeoffice schicken müssen, können viele gleich zumachen», sagt Rupp.
Er nennt ein Beispiel: «Nehmen wir einen Malerbetrieb mit vier Handwerkern und einer Person, die die Buchhaltung macht und dann ins Homeoffice geschickt werden müsste. Bei Handwerksbetrieben dieser Grösse ist nicht alles digitalisiert, die Maler laufen nicht mit Tablets herum. Quittungen, Rapporte und vieles mehr wird da noch auf Papier gemacht.» Das würde bedeuten: «Entweder müssen die Handwerker mindestens einmal am Tag zur Buchhalterin nach Hause, was zusätzliche Komplikationen mit sich bringt. Oder die ganze Belegschaft trifft sich für die Übergabe der Dokumente im Büro, womit das Homeoffice wieder sinnlos wäre.»
Arbeitgeber befürchten sinkende Produktivität
Für Rupp ist klar: «Wird den KMU das Leben mit einem Homeoffice-Zwang noch schwieriger gemacht, müssen wir uns auf eine nie da gewesene Welle von Konkursen und Geschäftsauflösungen einstellen.» Bereits jetzt erhalte der Verband fünf bis zehn Mitteilungen pro Tag von kleinen Betrieben, die ihren Betrieb aufgeben.
Auch für Rudolf Minsch, Chefökonom beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, würde ein Homeoffice-Zwang grosse Probleme mit sich bringen: «Zwänge sind nie gut, weil so die konkreten Umstände der einzelnen Firmen nicht mehr beachtet werden.» Wenn alle Betriebe über einen Kamm geschert würden, stimmte bei vielen schlicht das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr: «Wenn jemand fünf Minuten vom Arbeitsplatz entfernt wohnt und dort ein Einzelbüro hat, macht es schlicht keinen Sinn, ihn ins Homeoffice zu schicken.»
Auch bei grossen Unternehmen wie Finanzdienstleistern würde ein Homeoffice-Obligatorium zu Problemen führen, wie Balz Stückelberger, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Banken in der Schweiz, sagt: «Bei den Finanzdienstleistern arbeiten schon jetzt gut 50 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice. Das ist das, was über längere Zeit machbar ist.» Müssten nun aber alle Mitarbeiter, für die das grundsätzlich technisch möglich ist, nach Hause geschickt werden, würden insbesondere die psychosozialen Probleme zunehmen: «Monatelang allein im Homeoffice zu arbeiten, schlägt erwiesenermassen auf die Psyche, was sich wiederum auch in der Produktivität niederschlägt. Wir merken schon jetzt, dass die Anfragen für Beratung zunehmen.»