USA geben Raketen freiMoskau warnt vor «drittem Weltkrieg»: Was ist an den Drohungen dran?
Washington lässt den Einsatz weitreichender Waffen gegen Russland zu. Moskau reagiert scharf. Was heisst das nun alles? Antworten von Oberst Markus Reisner und Osteuropa-Experte Alexander Dubowy.
Darum gehts
Die USA erlauben der Ukraine erstmals den Einsatz von ATACMS-Raketen (Army TACtical Missile System).
So soll sie ihre besetzten Gebiete im russischen Kursk solange wie möglich halten, so Militärhistoriker Markus Reisner*.
Der späte Entschluss dürfte sich kaum auf den Kriegsverlauf auswirken. Es geht um politischen Druck.
Moskau warnt vor einer Eskalation und droht mit Gegenmassnahmen – «Wir haben derlei Drohungen bereits zuhauf gehört», meint dazu Politanalyst Alexander Dubowy*.
Die USA haben der Ukraine nach langem Zögern den Einsatz weitreichender Waffen gegen Russland erlaubt. Aus Moskau folgen scharfe Töne: Die USA wollten weitere Eskalation und Spannungen provozieren. Was kann die Ukraine ins Visier nehmen und wird das den Kriegsverlauf ändern? Und was ist mit Russlands Drohungen? Antworten von Oberst Markus Reisner* und Osteuropa-Experte Alexander Dubowy*.
Was ist passiert?
Erstmals geben die USA der Ukraine grünes Licht für den Einsatz weiter reichender Waffen gegen Russland. Dies als Reaktion auf die russische Stationierung Tausender nordkoreanischer Soldaten, zitieren die «New York Times» und die «Washington Post» US-Regierungsvertreter. Ob Grossbritannien und Frankreich gleichziehen und den Einsatz von STORM SHADOW und SCALP (Reichweite 560 Kilometer) ebenfalls und mit Zustimmung der USA erlauben, ist offen.
Welche ATACMS?
Eingesetzt werden darf fortan das US-System ATACMS – zumindest in der Kurzstreckenversion mit einer Reichweite von 165 Kilometern. Ob Washington auch den Einsatz der ATACMS-Langsreckenversion mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern bewilligt, ist unklar.
«Es wäre der Ukraine erst damit möglich, umfassend anzugreifen und massiven Druck auszuüben.»
«Derzeit deutet noch nichts daraufhin», so Reisner, der sich am Montagvormittag auf dem Rückweg von den USA befand. Tatsächlich wäre es der Ukraine erst mit dieser Fähigkeit möglich, russische Munitionsdepots und Flugplätze umfassend anzugreifen und massiven Druck auf die russische Seite auszuüben.
Ein Game Changer?
Zudem sei offen, «wie viele Langstreckenraketen respektive Munition die Ukraine aktuell überhaupt noch hat», sagt Osteuropa-Experte Alexander Dubowy. «Nach allem, was wir abschätzen können, wird das eher überschaubar sein.» Beide Experten sind sich vor diesem Hintergrund einig: Militärisch werde das für die Ukraine wohl kein Game Changer.
«Das würde nicht zwangsweise zu einer Eskalation führen.»
Mit dem ATACMS-Entscheid soll der Ukraine ermöglicht werden, die besetzten russischen Gebiete in Kursk solange wie möglich zu halten. Reisner: «Dies würde eine etwaige Verhandlungsposition der Ukraine verbessern und nicht zwangsweise zu einer – bis jetzt von den USA immer vermiedenen – Eskalation führen.»
Wachsendes Eskalationspotential?
Die Reaktionen auf Washingtons Beschluss fielen scharf aus. Bidens Genehmigung könne zum Beginn des dritten Weltkrieges führen, warnte Wladimir Jabarow, der erste stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten des russischen Föderationsrates. «Das ist ein sehr grosser Schritt», sagte er der Nachrichtenagentur TASS. «Und die Amerikaner gehen ihn wegen eines scheidenden alten Mannes, der in zwei Monaten für nichts mehr verantwortlich sein wird.»
«Würde Putin aus einem Kernwaffeneinsatz einen Vorteil ziehen, hätte er das längst veranlasst.»
Kreml-Sprecher Dimitri Peskow warnte, US-Präsident Biden würde «Öl ins Feuer» giessen.
Moskau sieht den Einsatz weitreichender westlicher Waffensysteme gegen russisches Territorium als direkte Kriegsbeteiligung von Nato-Staaten am Krieg und behält sich Gegenmassnahmen vor. «Wir haben derlei Drohungen bereits zuhauf gehört», kommentiert Russlandkenner Dubowy. «Doch es wird keinen dritten Weltkrieg geben. Würde Putin aus einem Kernwaffeneinsatz einen Vorteil ziehen, hätte er einen solchen längst veranlasst.»
Zu den Experten
*Markus Reisner ist Militärhistoriker und ein österreichischer Offizier/Oberst. Er leitet das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wien.
*Alexander Dubowy ist Politanalyst und Berater in internationalen Politik- und Sicherheitsthemen mit Fokus auf Osteuropa, Russland und den GUS-Staaten («Gemeinschaft Unabhängiger Staaten» mit den meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion).
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