Rätsel gelöstVan Gogh schenkte sein Ohr einer jungen Magd
Experten fragten sich lange, was mit dem abgetrennten Ohr von Vincent van Gogh passiert ist. Nun ist klar: Der Maler überreichte es einer jungen Bauerstochter.
Der berühmte niederländische Maler Vincent van Gogh schnitt sich im Jahr 1888 im südfranzösischen Arles sein linkes Ohr ab. Lange war darüber spekuliert worden, was mit dem Ohr geschehen war. 130 Jahre lang glaubten die Geschichtsschreiber, der Künstler hätte es einer Prostituierten namens Rachel geschenkt.
Vor wenigen Tagen jedoch hat die Kunstzeitschrift «The Art Newspaper» das Rätsel gelöst: Van Gogh vermachte sein Ohr einer französischen Bauerstochter namens Gabrielle Berlatier. Die damals 18-Jährige arbeitete als Magd in einem Bordell in Arles, um ihre Arztrechnungen bezahlen zu können, und hatte selber ein schweres Schicksal zu tragen.
Frau hatte Tollwut überlebt
Die Magd wird in Bernadette Murphys Buch «Van Gogh's War: The True Story» erwähnt – jedoch hatte die Autorin die Identität der Frau nicht preisgegeben. Die Zeitschrift entdeckte Berlatiers Namen jedoch in den Aufzeichnungen des Institut Pasteur in Paris. Dort war die junge Frau wegen Tollwut behandelt worden, nachdem sie am 8. Januar 1888 von einem Hund gebissen worden war. Der Versuch, die Wunde mit einem glühenden Bügeleisen auszubrennen, entstellte und schwächte die junge Frau. Eine Impfung gegen Tollwut in Paris rettete ihr das Leben.
«Sie hatte nach dem Biss eine sehr hässliche Narbe auf ihrem Arm», sagte die Buchautorin Murphy dem «Telegraph». Van Gogh sei jemand gewesen, den die Schwierigkeiten anderer Leute sehr berührt hätten. Deshalb habe der Maler der Magd sein Ohr geschenkt.
Van Gogh lernte die 18-Jährige gemäss «The Art Newspaper» entweder im Bordell kennen oder aber im Café de la Gare, das seinen Freunden Joseph and Marie Ginoux gehörte und in dem der Maler von Mai bis September 1888 ein Zimmer bezogen hatte. Dort arbeitete Berlatier möglicherweise kurzzeitig als Reinigungskraft.
Gabrielle Berlatier, die später heiratete und ein langes Leben führte, behielt ihr Geheimnis stets für sich. Ihren Verwandten hatte die Autorin Murphy versprochen, Berlatiers Identität geheimzuhalten.
Brief im Museum
Erst vor kurzem war ein Brief von Van Goghs Arzt publik geworden, der enthüllte, dass der Maler sich nicht nur einen Teil, sondern das ganze Ohr abgeschnitten hatte. Der Mediziner Felix Rey hatte 1930 in einer Skizze und Notizen festgehalten, wo genau van Goghs Schnitt mit dem Messer entlangführte. Der Brief wird laut «New York Post» bis September 2016 in einer Ausstellung im Amsterdamer Van-Gogh-Museum zu sehen sein.
Vincent van Gogh lebte nach seiner Zeit im südfranzösischen Arles ein Jahr in der Nervenheilanstalt von Saint-Rémy. Er starb am 29. Juli 1890, nachdem er sich zwei Tage zuvor eine Kugel in die Brust geschossen hatte.