Spionage-AffäreVor diesem Mann zitterten CIA und BND
Vor 25 Jahren hätte Journalist Frank Garbely die Spionage von CIA und BND beinahe entlarvt. Doch das letzte Puzzleteil fehlte.
Die Enthüllungen der gross angelegten Spionageaktivitäten von CIA und BND über die Zuger Firma Crypto AG beschäftigen Medien und Politik. Der heute 72-jährige Journalist Frank Garbely war schon 1994 ganz nah dran, die Spionageaffäre zu enthüllen. Garbely arbeitete damals als freier Journalist bei der «Rundschau», die auch an den jüngsten Berichten mitgearbeitet hat. Spionage, Geheimdienste, Terrorismus, Drogenhandel – das waren schon damals Garbelys bevorzugten Themen.
«Über die Rückkehr von Crypto-Verkäufer Hans Bühler, der neun Monate im Iran gefangen gewesen war, berichteten damals sämtliche Medien. Normalerweise wäre ein Thema so nicht mehr interessant gewesen für die Rundschau», erinnert sich Garbely. Doch ein Aspekt der Geschichte liess ihm damals keine Ruhe: «Weshalb entlässt die Firma ihren Top-Verkäufer so kurz nach seiner Befreiung? Das machte für mich keinen Sinn.»
Bühlers Vertrauen gewonnen
Also beginnt er zu recherchieren, kontaktiert Bühler. Als dieser erfährt, dass Garbely auch über iranische Anschläge in Frankreich oder die Ermordung des iranischen Oppositionellen Kazem Radschawi in Genf geschrieben hat, fasst er Vertrauen: «Er erzählte mir, dass er während der iranischen Verhöre immer wieder auf seine Verbindungen zum deutschen Geheimdienst angesprochen worden sei.» Als Bühler nach seiner Entlassung nachhakt und Details verlangt, erhält er lediglich die Antwort, der «deutsche Aktionär» der Firma wolle nicht, dass er mehr erfahre. Garbelys Ehrgeiz ist geweckt.
«Ich erhielt vom ehemaligen Finanzchef der Firma Adressen in Deutschland. Also fuhr ich hin und klapperte die Adressen ab.» Doch er stösst überall auf verschlossene Türen. Ein deutscher Kollege, der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom, bringt ihn auf die heisse Spur: «Durch ihn erfuhr ich, dass einige dieser Adressen zu Tarnfirmen gehörten, die vom BND kontrolliert wurden.»
«Die halbe Welt wurde für blöd verkauft»
Zurück in der Schweiz kontaktiert Garbely weitere ehemalige Mitarbeiter. Und er findet heraus, dass mehrere Beamte des Eidgenössischen Militärdepartements – des heutigen VBS – ebenfalls bei der Crypto AG arbeiten. Er konfrontiert sie mit den Vorwürfen. «Die Reaktion war immer dieselbe: Ich spinne doch, ich hätte überhaupt keine Ahnung und sei bloss auf der Jagd nach einer Schlagzeile. Doch ich war überzeugt, dass hier die ganze Schweiz, ja die halbe Welt für blöd verkauft wurde.»
Eines Tages steht Garbely kurz vor dem Durchbruch: P. F. meldet sich bei ihm. Der ehemalige Entwicklungschef der Crypto AG erzählt ihm detailliert von den manipulierten Geräten. «Spätestens da war ich überzeugt, dass die Crypto AG von CIA und BND zur Spionage benutzt wird. So detaillierte Erzählungen, das kann niemand erfinden.»
Kronzeuge will nicht aussagen
Doch Garbely hat ein Problem: P. F. will weder mit Namen im Fernsehen auftreten noch seine Beweise offenlegen. «Er – wie übrigens viele andere in dieser Affäre auch – fürchteten um ihr Leben.» Kurz vor dem Ziel, nach über einem Jahr Recherche, gelingt es Garbely nicht, den endgültigen Beweis für die ungeheuerliche Spionage-Aktion zu erbringen. «Das war extrem frustrierend.»
Die «Rundschau» wird am 13. März 1994 trotzdem ausgestrahlt. Obwohl F. die Beweise nicht vorlegt, erregt die Sendung laut Garbely international Aufsehen. An eine Schlagzeile erinnert er sich besonders gut: «Bevor Hans Bühler im Iran gefangen genommen wurde, installierte er im spanischen Königshaus Crypto-Geräte.» Als Reaktion auf die «Rundschau»-Ausstrahlung titelten die spanischen Zeitungen: «Die Amerikaner spionieren unseren König aus», erinnert sich Garbely.
Danach versandet die Geschichte, Beweise werden nie erbracht. Bis die NSA 2015 bis dahin geheime Papiere veröffentlicht, die sogenannten Friedman Papers. Friedman war ein Pionier auf dem Gebiet der Verschlüsselungstechnologie – und er war ein enger Freund von Crypto-Gründer Boris Hagelin. «Mit diesen Papieren hatte ich endlich eine zweite Quelle gefunden, welche die zehn Jahre alten Aussagen von P. F. im Detail bestätigten», sagt Garbely.
Affäre enthüllt – und keinen interessierts
Im «Infosperber» erzählt er die ganze Geschichte erneut, dieses Mal mit Tausenden Seiten NSA-Dokumenten als Beleg. Doch der grosse Aufschrei bleibt aus. «Ich weiss bis heute nicht, weshalb die Enthüllung damals kaum jemanden interessierte und heute eine hochbrisante Debatte auslöst», sagt Garbely. Das ärgere ihn aber nicht: «Wichtig ist, dass die Sache ans Licht gekommen ist und beendet wurde.»
Von den angekündigten Untersuchungen vonseiten der Politik verspricht sich Garbely nicht allzu viel: «Da sind zu viele Interessenbindungen vorhanden, persönliche wie auch nationale. Die Schweiz hat nicht die Macht, sich mit ausländischen Geheimdiensten anzulegen.» In Garbelys Karriere als Journalist sei es dutzendfach vorgekommen, dass Politiker und Behörden Sachen vertuscht hätten. «Die Hackordnung ist auf der Welt klar vorgegeben. Es ist Aufgabe der Medien, den Mächtigen genau auf die Finger zu schauen. Wenn jemand diese Affäre restlos aufklären wird, dann die Medien.»