Wahlen 2023«Ja, und ich freue mich sehr!» – Neo-Nationalrätin Rosenwasser will doch
Die Queer-Aktivistin und neu gewählte SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser war zunächst unsicher, ob sie das Amt antreten soll. Das sorgte für Kritik.
Darum gehts
Anna Rosenwasser wurde am Sonntag für die SP in den Nationalrat gewählt.
Sie sei von der Wahl überrumpelt worden und wisse nicht, ob sie den Sitz wirklich will, sagte sie nach der Wahl. Dafür erntete sie Kritik.
Am Dienstagabend teilte sie mit: «Ja, und ich freue mich sehr!»
Es war eine der Überraschungen dieses Wahlsonntags: Autorin und LGBTQ-Aktivistin Anna Rosenwasser schaffte es auf der SP-Liste in den Nationalrat – vom 20. Platz aus machte sie einen sagenhaften Sprung nach vorn. Anderseits war Anna Rosenwasser schon zuvor über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt gewesen und hatte in den letzten Monaten intensiv Wahlkampf gemacht.
Es sorgte deshalb für Irritation, als sie im «Tages-Anzeiger» (Bezahlartikel) vom Montag sagte, sie wisse nicht, ob sie das Amt annehme. Sie sei überrumpelt worden und müsse sich zuerst darüber informieren, womit ein solches Mandat wirklich verbunden sei. Gleichzeitig sei ihre Agenda gefüllt mit Terminen, von denen sie nicht wisse, ob sie sie absagen soll. Bei wichtigen Entscheidungen sei Nein-Sagen eine Option.
48 Stunden nach dem Wahlabend hat sie sich entschieden: «Jetzt ist es offiziell. Ja, ich trete mein Amt an und ich freue mich sehr!», schreibt sie am Dienstagabend sie auf Instagram.
«Es gibt keinen Amtszwang»
Zuvor hagelte es in den Social-Media-Kanälen Unverständnis. «Fühlt sich jemand veräppelt?», schrieb einer auf X. Und fügte hinzu: «Kandidieren ist kein Spiel.» Ein anderer schrieb: «Man muss sich mindestens vorher Gedanken machen, was man im Falle der Fälle macht.» Andere pflichteten Anna Rosenwasser bei: «Mir sind solche Menschen tausendmal lieber, als wenn ein Versager das Amt annimmt und dann doch nie anwesend ist.» Die nicht wiedergewählte Meret Schneider (Grüne) wiederum äusserte sich ironisch: «Ich überlege mir noch, die Nichtwahl anzunehmen und zu kommunizieren.»
Rechtlich ist es erlaubt, die Wahl abzulehnen: «Ja, man darf ablehnen, es gibt auf nationaler Ebene keinen Amtszwang», sagt Stephan Ziegler, Wahlleiter des Kantons Zürich. Diesen Amtszwang gebe es bei gewissen Gremien auf Gemeindeebene, etwa Gemeinderat, Schulpflege, Arbeitsgericht oder Rechnungsprüfungskommission. Da könne es sogar vorkommen, dass jemand ein Amt annehmen muss, obwohl er gar nicht dafür kandidiert hat. Dieser Amtszwang umfasst jedoch keine Vollzeit-Ämter und keine Parlamentsmandate.
Alexander Locher, Rechtsanwalt und Leiter Politische Rechte beim Zürcher Justizdepartement, sagt: «Generell lässt sich feststellen, dass die Mandate als National- und Ständerat in der Regel sehr begehrt und auch umkämpft sind. Entsprechend sind uns in den letzten Jahren keine Wahlablehnungen bekannt, und auch vorzeitige Rücktritte sind sehr selten.»
«Präferenzsystem wird sabotiert»
Die andere Frage ist, ob eine Nicht-Annahme der Wahl legitim wäre gegenüber der Wählerschaft. Politologe Thomas Milic sagt: «Es ist natürlich irritierend, wenn jemand sich zur Verfügung stellt und das Amt dann doch nicht will.» Zudem könne es den Verdacht wecken, dass jemand parteiintern genötigt wird, für eine andere Person Platz zu machen. «In diesem Fall gehe ich nicht davon aus», sagt Milic.
Vor allem aber werde mit einer Nicht-Annahme eines Nationalrats-Mandats auch das Präferenzsystem sabotiert, das dem schweizerischen Proporzwahlsystem mit den zahlreichen Möglichkeiten wie Kumulieren, Panaschieren und Streichen innewohne.
Anna Rosenwasser wurde am Dienstag offenbar von Reaktionen überhäuft. Sie schrieb auf Instagram: «Leute flippen grad bitz aus», und konterte: «Als wäre es absurd, sich grosse Entscheidungen gründlich zu überlegen. Wer auf Platz 20 kandidiert, rechnet nicht mit einer Wahl. Dann habt ihr mich gewählt, und ich liebe euch dafür. Jetzt stelle ich sicher, dass mein Ja von ganzem Herzen kommt.»
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