Wahlen 2023: wird zweiter Wahlgang Ständerat zu «Rache der Linken»?

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Wahlen 2023Kommt es im Ständerat jetzt zur «Rache der Linken»?

In wenigen Wochen finden die zweiten Wahlgänge für die Ständeratswahlen statt. In ganzen neun Kantonen sind noch keine oder nicht alle Sitze besetzt. Kommt es nach dem Rechtsruck im Nationalrat nun zur Links-Verschiebung im Ständerat?

Darum gehts

  • Wer holt sich die letzten Ständeratssitze? 

  • Die Linken werden versuchen, den Rechtsrutsch des Nationalrats im Ständerat zu korrigieren.

  • Ob das gelingt, ist offen, sagen zwei Polit-Fachleute.

  • Es komme auf die Mobilisierung an. Denn wenn die Gegner einer bestimmten Kandidatin oder eines Kandidaten zahlreich an die Urne gehen, sei alles möglich.

Das Schweizer Parlament wurde rechter. Ganze neun Sitze gewann die SVP im Nationalrat. Und auch im Ständerat gibt es noch die ein oder andere FDP- oder SVP-Kandidatin, respektive Kandidaten, die gute Chancen auf einen Einzug ins Stöckli haben. Ihnen gegenüber stehen Kandidatinnen und Kandidaten der Mitte, SP, GLP und der Grünen. Vor allem bei den Linken und Grünen sitzt der Frust tief und sie werden alles geben, um den Rechtsrutsch zumindest im Ständerat etwas abzufedern. 

Schlagen die Linken im Ständerat zurück?

Es komme nicht zu einer Art «Rache der Linken», sagt Politologe Thomas Milic. Retourkutschen so kurz nach einer Wahl gebe es in der Schweiz nicht. Neue Polit-Trends entwickelten sich über einen längeren Zeitraum und würden oft zuerst in kantonalen Wahlen der nächsten Jahre sichtbar.

Gehst du bei den zweiten Wahlgängen an die Urne?

Auch Politologin Sarah Bütikofer glaubt nicht an einen Linksrutsch im Stöckli: «Ausser in Genf und allenfalls in Solothurn oder Schaffhausen, wo aussichtsreiche Kandidierende der SP für den zweiten Wahlgang antreten, sehe ich nicht sehr hohe Chancen auf einen Gewinn von Links». Würden die aussichtsreichen Grünen- und SP-Kandidatinnen und -Kandidaten allesamt gewählt, hätte das Linke Lager im Ständerat 13 Sitze – einen Sitz weniger als in den letzten vier Jahren.

Ist wenig optimistisch, dass es im Ständerat einen Linksrutsch gibt: Politologin Sarah Bütikofer.

Ist wenig optimistisch, dass es im Ständerat einen Linksrutsch gibt: Politologin Sarah Bütikofer.

Universität Zürich 

Eine Chance sieht Thomas Milic einzig, wenn es dem linken Lager gelinge, zum Beispiel wesentlich besser zu mobilisieren als die Bürgerlichen. Den Gegenkandidaten zu verhindern, gebe bei gewissen Wählenden den Ausschlag zur Teilnahme an der Wahl. Milic verweist auf den Ständeratswahlkampf 2007 in Zürich, wo sich Ueli Maurer (SVP) und Verena Diener (GLP) duellierten, Diener siegte dank der Mobilisierung von Maurers Gegnerinnen und Gegnern. Diesen Herbst ist die Konstellation für den zweiten Wahlgang zumindest von den Parteien her mit Gregor Rutz (SVP) und Tiana Moser (GLP) gleich.

Wer mehr Wählende an die Urne bringt, gewinnt, sagt Politologe Thomas Milic.

Wer mehr Wählende an die Urne bringt, gewinnt, sagt Politologe Thomas Milic.

Universität Zürich

Bütikofer sieht es nicht ganz wie Milic: Sie spricht das Stichwort Wahlbeteiligung an. Denn die sei oft «deutlich» tiefer bei zweiten Wahlgängen, sagt die Politologin. Vor allem bei jenen, die ihre Wunschkandidatin oder ihren Kandidaten bereits ins Parlament gebracht haben, sei dies signifikant.

Kritik an stiller Wahl in Bern

Thomas Milic kritisiert die stillen Wahlen, die es soeben in Bern gegeben hat, nachdem sich alle Kandidatinnen und Kandidaten ausser Werner Salzmann (SVP) und Flavia Wasserfallen (SP) zurückgezogen haben. Milic bringt das Beispiel Frankreich, wo es bei Präsidentenwahlen üblich sei, im ersten Wahlgang breit zu wählen und im zweiten, die schwachen Kandidaturen zu «eliminieren». Das französische Bonmot dazu lautet: «Au premier tour on choisit, au deuxième tour on élimine». Bei stillen Wahlen entfällt diese Möglichkeit, was aus demokratiepolitischen Überlegungen «nicht ideal» sei.

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