RusslandWaldbrände bedrohen Atom-Labor
Im Kampf gegen die verheerenden Waldbrände in Russland hat sich die Lage zugespitzt: In der Region Nischni Nowgorod näherten sich die Flammen einem Zentrum für Atomforschung.

Tropfen auf den heissen Stein: Ein Feuerwehrmann bekämpft das Feuer in Voronezh.
In den vergangenen 24 Stunden seien mehr als 320 neue Waldbrände registriert worden, erklärt das Ministerium für Katastrophenschutz auf seiner Internetseite. Damit habe sich die von den Feuern betroffene Fläche um 45 000 Hektaren im Vergleich zum Vortag ausgeweitet.
Zudem gebe es im Umland der Hauptstadt Moskau 50 neue Torffeuer. Es sei jedoch gelungen, knapp 250 Brände zu löschen. Insgesamt loderten am Dienstag nach Angaben des Ministeriums im ganzen Land noch mehr als 500 Brände auf einer Fläche von 172 000 Hektaren.
Die anhaltende Gluthitze in Russland erschwert den Kampf gegen die Waldbrände im ganzen Land. «Das sehr heisse Wetter dauert an», konstatierte der Chef des Nationalen Krisenzentrums, Wladimir Stepanow, und betonte, die Hitze sei das Hauptproblem im Kampf gegen die Flammen.
Und diese fordern viele Opfer: Durch die seit mehreren Tagen wütenden Brände kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bislang 40 Menschen ums Leben.
Doch nicht nur die Hitze macht den Rettungskräften zu schaffen. An vielen Orten kommen ständig wechselnde Winde hinzu, sagte Stepanow. «Wir arbeiten hart Tag und Nacht. Es ist ein wahrer Kampf.»
Atomforschungszentrum bedroht
Am Dienstag rückten die Brände dann bedrohlich nahe an ein Zentrum für atomare Forschung heran. Die Flammen rund um Sarow etwa 400 Kilometer östlich von Moskau seien jedoch inzwischen unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung nach Angaben der Agentur Interfax mit.
Das Ministerium mobilisierte nach eigenen Angaben allein 180 000 eigene Spezialisten zur Bekämpfung der Flammen. Zudem wurden rund 5000 Soldaten und 3000 vom Innenministerium entsandte Einsatzkräfte in die betroffenen Gebiete geschickt.
Russland erlebt derzeit eine beispiellose Hitzewelle, die Präsident Dmitri Medwedew als Katastrophe bezeichnete, die nur «alle 30 bis 40 Jahre vorkommt».
Eine Abkühlung ist auch am Dienstag nicht in Sicht: Für den Tag erwarteten die Meteorologen Temperaturen von bis zu 40 Grad in der Hauptstadt und Umgebung sowie Sichtweiten von unter einem Kilometer wegen des dichten Smogs.
Die hohen Temperaturen in Moskau und Zentralrussland sollen bis zum Ende der Woche anhalten, auch Regen ist weiterhin nicht in Sicht. Nach Angaben der Wetterbehörde wurde die Hitze durch ein Hochdruckgebiet ausgelöst.
Ausfälle bei Weizenernte
Die Trockenheit in Russland führt ausserdem voraussichtlich zu massiven Ausfällen bei der Weizenernte. Das Land ist einer der weltweit grössten Weizenexporteure.
Im Jahr 2009 hatte Russland noch eine Rekordernte von 97 Millionen Tonnen Weizen eingefahren, für dieses Jahr waren bislang rund 85 Tonnen vorausgesagt worden. Die sinkende Ernte in Russland lässt auch die Weizenpreise weltweit steigen. (aeg/sda)
Das Atomforschungszentrum in Sarow
Für die Moskauer Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» ist es eines der «wichtigsten strategischen Objekte» Russlands: das Atomforschungszentrum nahe der Stadt Sarow. Die Anlage etwa 400 Kilometer östlich von Moskau war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg unter grösster Geheimhaltung gebaut worden.
Die Sowjetunion entwickelte dort Atombomben. In amtlichen Dokumenten trug der von dichten Wälder abgeschirmte Ort einen Tarnnamen.
Als grösster Erfolg von Sarow gilt bis heute eine 27 Tonnen schwere Wasserstoffbombe, die Forscher um den Wissenschafter und späteren Regimegegner Andrej Sacharow (1921-1989) dort entwickelten.
Die Detonation des Sprengsatzes über einem Testgelände im Nordpolarmeer war 1961 die grösste je von Menschen verursachte Explosion. Auf dem streng bewachten Forschungsgelände, auf dem Hunderte Forscher und Hilfskräfte arbeiten, befinden sich unter anderem Institute für Physik, Nuklearchemie und Lasertechnik.
(sda)