Abstimmungs-UmfragenWarum 20 Minuten genauer war als die SRG
Viele Teilnehmer, Gewichtung durch international tätige Politologen und moderne statistische Methoden: So funktionieren die Abstimmungsumfragen von 20 Minuten.
Schon wieder ist es passiert: GfS-Chef Claude Longchamp lag mit seiner Abstimmungsumfrage zu Ecopop 13 Prozent daneben. Von der Presse hagelt es Kritik, die Konkurrenz reagiert hämisch. Auch die gewichtete Online-Umfrage von 20 Minuten lag zehn Tage vor der Abstimmung noch zehn Prozent über dem tatsächlichen Resultat – wobei sich von der ersten zur letzten Welle ein klar negativer Trend zeigte. Bei zwei der drei Abstimmungsvorlagen vom Sonntag trafen die Resultate der 20-Minuten-Umfrage genauer zu als das der SRG-Trendstudie.
Schon vor diesem Abstimmungssonntag stiessen die gewichteten Online-Umfragen von 20 Minuten auf viel Resonanz. «Die Zeit» lobte, die Umfragen von 20 Minuten träfen «erstaunlich oft ins Schwarze». «Durch die Kraft der hohen Auflage und über die Bande einer Meinungsumfrage schafft es die Pendlerzeitung, die politische Agenda zu besetzen.» Die Schweiz habe damit ein «neues Leitmedium». Die «Aargauer Zeitung» schrieb von einer «echten Konkurrenz für Longchamp». Die NZZ schliesslich stellte den «Feldversuch» von 20 Minuten im Artikel «Online-Umfragen mischen die Branchen auf» vor. Immer wieder erreichen die Redaktion Fragen zum Projekt. In diesem Artikel beantworten wir die wichtigsten davon.
Weshalb mischt 20 Minuten jetzt auch noch im Umfragemarkt mit?
20 Minuten will wissen, wie die Bevölkerung denkt. An Umfragen zu verschiedenen Lebensbereichen nehmen auf unserer Online-Seite regelmässig mehrere Zehntausend Leser teil. Die Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen haben dieses Potenzial erkannt: Aus wissenschaftlicher Neugier wollten sie wissen, wie genau die Umfrageresultate auf die tatsächlichen Abstimmungsergebnisse zutreffen, wenn man sie nach verschiedenen Faktoren gewichtet. Erste Versuche ergaben eine hohe Treffsicherheit. So entstand eine professionelle Zusammenarbeit zwischen 20 Minuten und den beiden international tätigen Politologen.
Wer ist genauer, 20 Minuten oder SRG?
An den letzten vier Abstimmungsterminen waren die Analysen von 20 Minuten genauer als die etablierten SRG-Trendumfragen. Bei sieben von zwölf Vorlagen lag das Resultat von 20 Minuten näher beim tatsächlichen Resultat – bei vier Vorlagen hatte das Gfs die Nase vorn. Beim Mindestlohn lagen beide Umfragen gleichauf (siehe Grafiken).
Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Umfragen? Ist die 20-Minuten-Umfrage repräsentativ?
Mit Onlineumfragen können sehr grosse Teilnehmerzahlen generiert werden. An den Abstimmungs-Umfragen von 20 Minuten nehmen regelmässig über 20'000 Personen teil. Deren Antworten werden nach demografischen, geografischen und politischen Variablen gewichtet, sodass die Stichprobe möglichst gut der Struktur der Stimmbevölkerung entspricht. Obwohl die Umfragen nicht als repräsentativ gelten, können sie die Gesellschaft auf diese Weise laut Leemann grundsätzlich genauso gut abbilden wie die etablierten Telefonumfragen. Das GfS führt seine Befragungen telefonisch durch. Aus der Stimmbevölkerung wird eine Stichprobe von rund 1400 Personen interviewt, die nach Sprachregionen ausgewählt und übers Festnetz angerufen werden. Das Resultat ist so theoretisch für die ganze Stimmbevölkerung repräsentativ.
Kann eine Online-Umfrage gleich gut sein wie die etablierten SRG-Trendstudien?
Resultate in den USA zeigen laut Lucas Leemann, dass Gewichtungsanalysen von Onlinestichproben mindestens so gute Resultate aufweisen wie Telefonumfragen. «Der Wahlsieg von Obama 2012 wurde beispielsweise von Onlineumfragen präziser vorausgesagt als von Telefonumfragen.» Die gewichteten Online-Umfragen würden neuere statistische Verfahren nutzen, während sich die Telefonumfragen auf die Theorie der Zufallsstichproben beziehen würden.
Eine Schwierigkeit der Telefonumfragen ist, dass theoretisch jeder Wähler die gleiche Wahrscheinlichkeit haben sollte, in der Stichprobe interviewt zu werden. Dies ist in der Praxis allerdings schwierig, da immer weniger Leute einen Festnetzanschluss haben und die Zahl derer, die die Anrufe nicht beantworten, steigt. Zudem tendieren die Befragten in Telefoninterviews bei heiklen Themen dazu, eine Antwort zu geben, die gesellschaftlich akzeptiert ist.
Wurde die 20-Minuten-Umfrage schon von Hackern angegriffen oder manipuliert?
Es gibt zwei Arten von Manipulationen: Einerseits versuchen Einzelpersonen die Umfrage zu manipulieren, indem sie mehrfach teilnehmen und falsche Angaben machen. Andererseits gab es schon Fälle, in denen ein politischer Akteur versuchte, mit technischen Tricks die Umfrage zu manipulieren. Der erste Fall ist laut Fabio Wasserfallen unproblematisch, da mehrfache Teilnahmen erkannt werden. «Für die Bekämpfung der zweiten Art haben wir zusammen mit IT-Experten eine Reihe von Sicherheitselementen eingebaut.» Eine Manipulation der Umfragen sei so nicht komplett unmöglich – «die finanziellen und technischen Mittel, die dafür nötig wären, sind jedoch beträchtlich», so Wasserfallen.