Consonno: Warum Italiens Las Vegas zum Geisterdorf wurde

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ConsonnoWarum aus Italiens Las Vegas über Nacht ein Geisterdorf wurde

Consonno? Dieser Namen sagt heute den wenigsten Italienerinnen und Italienern noch etwas. Dabei tobte in dem italienischen Ort einst das Leben.

Die Zeiten, in denen Consonno so aussah, sind schon lange vorbei.
Heute sieht das Gebäude im Hintergrund so aus.
Auch sonst ist von dem Prunk früherer Zeiten nicht viel übrig geblieben: Consonno ist zum Geisterdorf geworden. 
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Die Zeiten, in denen Consonno so aussah, sind schon lange vorbei.

Wikimedia Commons/consonno.it/PD

Consonno – darum gehts

  • In Italien gibt es einige verlassene Dörfer.

  • Ein solcher Lost Place ist auch Consonno, eine Stunde von Mailand entfernt. 

  • Die Geschichte des Orts kann als abwechslungsreich bezeichnet werden. 

  • Bevor Consonno zum Geisterdorf wurde, war es verschlafenes Bauerndorf, aufregender Vergnügungsort, von der Aussenwelt abgeschnitten sowie Austragungsort für illegale Raves und Weltmeisterschaften.

«Wer in Consonno lebt, lebt länger»: Diese Worte prangen – auf Italienisch natürlich – noch immer über der Zufahrtsstrasse, die zu dem kleinen Ort im Hügelland zwischen dem Comer See und Mailand führt. Auf anderen steht: «Consonno ist das kleinste und schönste Dorf der Welt», «Hier in Consonno ist alles wunderbar» und «In Consonno wird immer gefeiert.» Der Rost darauf verrät, dass es sich um Relikte jener Zeiten handelt, als es in Consonno vor allem darum ging, eine gute Zeit zu haben. Damals, als es noch als das Las Vegas Italiens galt.

Entwicklung zu Spielerparadies nicht absehbar

Dass es einmal dazu werden würde, ahnte niemand: Schliesslich war der Ort über Jahrhunderte hinweg landwirtschaftlich geprägt. Die Bewohnerinnen und Bewohner Consonnos lebten vom Anbau und der Verarbeitung von Kastanien, Sellerie und Lauch. Die Waren verkauften sie im Tal, in Olginate. Dorthin gelangten sie über einen schmalen Saumpfad, der nur mit einem Transportschlitten, dem «ul traén», begehbar war. Es war ein hartes Leben, das in den 1960er-Jahren plötzlich endete.

Vom Bauerndorf zum Hotspot der High Society

Für das Ende – und den Neuanfang – verantwortlich war der Graf von Valle dell'Olmo, Mario Bagno, ein Unternehmer, der am Bau von Autobahnen und Landebahnen von Flughäfen beteiligt war. Er kaufte den Ort im Jahr 1962 und zwang die Bewohner, umzusiedeln. Fast alle Gebäude liess er abreissen. Nur die Kirche San Maurizio, der kleine Friedhof und ein paar wenige Häuser blieben erhalten. Sogar ein Hügel, der die schöne Aussicht versperrte, soll weggesprengt worden sein.

Bagnos Ziel? Ein Vergnügungsort nach dem Vorbild von Las Vegas. Deshalb errichtete er auf dem nun weitestgehend brachliegenden Land «palastähnliche Bauten, Restaurants, Einkaufszentren und Attraktionen mit den unterschiedlichsten und fragwürdigsten architektonischen Formen», wie lastampa.it schreibt. Es gab ein Minarett, mehrere chinesische Pagoden und ein mittelalterliches Burgtor in Consonno.

Geschmäcker sind verschieden

Das «wahre Stilpuzzle» kam bei Italiens High Society gut an. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde Consonno zum beliebten Ziel für Wochenendpartys und Hochzeiten, riesige Menschenmengen strömten in die Stadt. Es soll sogar ein Autodrom, einen Reitplatz, eine Bowlingbahn, eine ägyptische Sphinx und Pläne für einen Zoo gegeben haben.

Doch nicht allen Menschen gefiel Consonno 2.0. In einem Artikel der Zeitschrift «Le vie d’Italia» vom Dezember 1965 trauert der Autor den alten Zeiten nach, als Consonno noch beschaulich war und Männer und Frauen sich bis spät am Abend auf der Strasse unterhielten. Mittlerweile fielen sonntags Schaulustige über das Dorf her, «um das Spektakel zu geniessen». Zwar würde die Natur zerstört, aber das interessiere niemanden. «Man geht in einem angenehmen Klima spazieren, ein Glacé in der Hand und den Pullover auf den Schultern und wundert sich darüber, wie viel Geld hier verdient wird.»

Erdrutsch läutete das Ende des Vergnügungsorts ein

Die Blütezeit des italienischen Las Vegas dauerte jedoch nicht lang: Ein Erdrutsch im Jahr 1976 bremste den visionären Traum des extravaganten Unternehmers abrupt: Er zerstörte die Zufahrtsstrasse, die von Olginate nach Consonno führte. Daraufhin kam es zu einem jahrelangen Streit zwischen dem Grafen und der Region: Man war sich nicht einig, wer den Schaden beheben sollte. Währenddessen starb Consonno langsam aus.

Zwar versuchte Bagno dem Ort noch einmal neues Leben einzuhauchen – etwa indem er das Gran Hotel Plaza von Consonno in ein Pflege- und Altenheim umzuwandeln versuchte – doch das Interesse an dem einst so gut besuchten Ort war verblasst. 1995 starb Mario Bagno. Und mit ihm die Hoffnung auf einen weiteren Neuanfang.

Consonno mutierte zum Lost Place. Als solcher erfreut sich der Ort bis heute grosser Beliebtheit – etwa als Schauplatz von Underground-Raves. Oder als Austragungsort der «Nascondino World Championship», der Weltmeisterschaft im Versteckspiel.

Erneut zum Verkauf ausgeschrieben

Im Jahr 2014 machte Consonno noch einmal über die Grenzen Italiens von sich reden. Der berühmte italienische DJ Francesco Facchinetti wollte die 1'700'000 Quadratmeter grosse Fläche von einer Mailänder Immobilienfirma kaufen, wie 20 Minuti berichtete. Der Kaufpreis lag bei zwölf Millionen Euro. Sein Ziel war es, ein italienisches Silicon Valley zu errichten. 2015 war dann auch dieser Traum geplatzt. Facchinetti gab sein Projekt auf, wie Leccotoday.it schrieb.

Mittlerweile ist der Ort offiziell nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit 2021 sind die verbleibenden Gebäude eingezäunt und als nicht sicher eingestuft. Ungeachtet dessen finden hier noch Events statt, zuletzt das «Ghosttown Freeride».

Neue Pläne

Im Jahr 2021 wurde bekannt, dass die Stadt Olginate das Gebiet, auf dem sich Consonno befindet, künftig umnutzen möchte: Die alten Gebäude sollen abgerissen und ein grosser Teil des Areals begrünt und in einen öffentlichen Park umgewandelt werden. Wann das geschehen soll, ist unbekannt.

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