Warum die Berner die Favoriten sind

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SchwingfestWarum die Berner die Favoriten sind

Die Berner halten zusammen – und sie haben die stärksten Schwinger. Der Schwingkönig 2013 wird Matthias Sempach, Christian Stucki oder Kilian Wenger heissen.

von
Klaus Zaugg

Die Ausgangslage beim Eidgenössischen ist offen wie noch selten – und doch sind die Berner zuversichtlich wie nie mehr seit der «Belle Epoque», als sie zwischen 1966 und 1974 viermal hintereinander den Thron bestiegen. Für die Berner ist es eine heilige Pflicht, am Sonntag in Burgdorf zu gewinnen.

Der wichtigste Grund für die Zuversicht ist nicht alleine das individuelle Können der drei Titanen Kilian Wenger, Christian Stucki und Matthias Sempach. Entscheidend könnte ihre Fähigkeit sein, zusammenzuhalten. So wie 1989 beim Eidgenössischen in Stans. Vor dem Schlussgang zwischen dem himmelhohen Favoriten Geni Hasler und dem vermeintlich chancenlosen Aussenseiter Adrian Käser.

Käser sass im Zelt der Berner, umringt von seinen Kameraden, darunter auch Niklaus Gasser und Fritz Flühmann. Sie hatten sich von der Umwelt abgeschottet. Es schien, als würden sie vor diesem schweren Kampf die Geister in einer Art «Zwilchhosen-Voodoo» beschwören. Der einsame Geni Hasler, von seinen Fans schon vor dem letzten Kampf als König gefeiert, verlor den besten, dramatischsten Schlussgang aller Zeiten.

Zuerst Berner, dann Emmentaler oder Oberländer

Die Berner halten zusammen. Der Unterschied zwischen einem Oberländer, Emmentaler, Oberaargauer oder Seeländer ist – wenn es nicht gerade um Eishockey geht – viel kleiner als jener zwischen einem Luzerner, Zuger, Urner, Ob- oder Nidwaldner. Die ungerecht verteilten Steuerlasten zwischen den vaterlandslosen Geldmachern in Zug und den urchigen Eidgenossen im Urnerland schüren Neid und machen ein Zusammengehörigkeitsgefühl fast unmöglich. Es ist kein Zufall, dass die Innerschweizer erst einmal den Thron bestiegen: Harry Knüsel 1986 in Sion nach einem Triumph gegen Ernst Schläpfer.

Den Bernern greift der Steuervogt mit beiden Händen in den Geldsäckel. Das verbindet. Die Berner sind in Zeiten des Eidgenössischen immer zuerst Berner, erst dann Emmentaler oder Oberländer. Und sie tragen alle noch immer den Stolz des alten Bern im Herzen. Sie haben nicht vergessen, dass Bern einmal einer der mächtigsten Stadtstaaten Europas war. Eines der bernischen Staatsoberhäupter aus dieser Zeit soll einst gesagt haben: «Mich schaudert, wenn ich daran denke, wie vornehm und mächtig wir sind.» Und nun schaudert es die Berner, wenn sie daran denken, wie stark und böse ihre Titanen sind.

Für den Kollegen «opfern»

Wer soll denn König Kilian Wenger, Christian Stucki und Matthias Sempach bodigen? Einer der drei wird durchkommen. Der Vorteil: Wenn einer der drei keine Chance mehr auf den Thron hat, wird er sich für die anderen Berner opfern. Er wird alles daran setzen, von diesem Zeitpunkt an die Gegner zurückzubinden: Nichts mehr riskieren, nicht mehr auf Sieg schwingen und «nur» noch ein Remis suchen. Das kann entscheidend sein, wenn es darum geht, im fünften, sechsten oder siebten Gang die Schlussgangqualifikation zu holen.

Das «Selbstopfer» für die Kameraden funktioniert auch deshalb, weil beim Eidgenössischen die Bösen aus einem Teilverband so lange wie möglich nicht gegeneinander eingeteilt werden und in der Regel erst im Schlussgang aufeinandertreffen. 1969 (Rudolf Hunsperger gegen Hans Stucki) und 1974 (Rudolf Hunsperger gegen Fritz Uhlmann) gab es die letzten rein bernischen Schlussgänge.

Die perfekte Mischung

Nicht einmal die bittere Niederlage beim letzten Unspunnenfest hat die Zuversicht der Berner erschüttert. Das war ein verregnetes Eintagesfest. Da war ein Ausrutscher nicht mehr zu korrigieren. Nun geht es im sonnigen Burgdorf über acht Gänge und zwei Tage. Da lässt sich ein Fehlstart besser korrigieren als bei einem Eintagesfest mit bloss sechs Gängen.

Wenn die Berner ihre Bösen zu einem einzigen Titanen vereinigen könnten, wären sie absolut unbesiegbar: Kilian Wengers Nervenstärke, Matthias Sempachs Technik und Christian Stuckis Kraft ergäben einen Bösen, wie ihn die Eidgenossenschaft noch nie gesehen hat.

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