Mysterium um Rohstoff-HandelsfirmaWarum verschwand die grösste Schweizer Firma aus der Rangliste?
Noch im Juni galt die Trafigura als umsatzmässig grösstes Unternehmen der Schweiz. Nun ist der Rohstoffhändler plötzlich aus dem Ranking der «Handelszeitung» verschwunden. Was ist geschehen?
Darum gehts
Die Trafigura galt noch im Juli als grösstes Schweizer Unternehmen.
Nun ist sie plötzlich aus dem Top-Ranking verschwunden.
Der Grund könnte sein, dass der Hauptsitz der Firma nicht mehr Genf zugeordnet wird.
138 Milliarden: Das ist der Umsatz, den der Rohstoffhandelsriese Trafigura im vergangenen Geschäftsjahr erzielte. Zwei Drittel des Firmenumsatzes entfallen jeweils auf den Handel mit Erdöl, der Rest auf den Metallhandel, wie Trafigura-Chef Jeremy Weir 2017 in einem seltenen Interview mit der «Bilanz» erklärte.
Trotz dieses gewaltigen Umsatzes ist die Trafigura in der Öffentlichkeit wenig bekannt, unter anderem deshalb, weil in der nicht unumstrittenen Rohstoffhandels-Branche Publicity wenig gefragt ist. Seit rund zehn Jahren figuriert das Unternehmen im Schweizer Firmen-Ranking in den Top Ten, in denen sieben Plätze von Rohstoffhändlern besetzt sind. Auch aufgrund der Corona-Pandemie, welche das Unternehmen offenbar besser meisterte als die Konkurrenz, setzte sich die Trafigura gemäss «Handelszeitung» im vergangenen Juni an die Spitze und belegt umsatzmässig Platz eins der Schweizer Unternehmen – vor Giganten wie Nestlé oder Novartis.
Aus dem Ranking verschwunden
Doch nun, das zeigen Recherchen der Tamedia-Zeitungen, ist die Trafigura nach nur wenigen Wochen auf Platz eins aus der Liste der 100 grössten Schweizer Firmen verschwunden, wie ein Blick in das Ranking der Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet zeigt. Dieses zeigt nun Glencore als Nummer eins – und von Trafigura fehle «jede Spur».
Die Frage, warum Trafigura plötzlich nicht mehr unter den Grossen figuriert, wollte Dun & Bradstreet den Tamedia-Zeitungen nicht beantworten. Seitens der «Handelszeitung» hiess es, wohl aufgrund der komplexen Unternehmensstruktur könne die Trafigura nicht mehr der Schweiz zugeordnet werden. Der Hauptsitz sei vermutlich nach Amsterdam verlegt worden, heisst es – eine Aussage, die die Trafigura selbst dementiert.
Wo ist der Hauptsitz?
In der Tat scheint es schwierig zu sein, die Trafigura einem Land zuzuordnen. Wie die Tamedia-Zeitungen schreiben, hat die Firma laut ihrem Geschäftsbericht den Hauptsitz in Singapur, gehöre aber zu einer holländischen Holding, welche von einer Stiftung in Panama kontrolliert werde. Die grössten Handelsbüros hat die Trafigura in Genf und Amsterdam.
Warum diese komplexe Struktur sich erst jetzt im Verlust des Nummer-Eins-Platzes in der Schweiz manifestiert, ist unklar. Die Frage, ob ein eifersüchtiger Konkurrent hinter der Neueinstufung als Nichtschweizer-Firma steht, blieb unbeantwortet. Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco verfügt laut Auskunft weder über eine Definition, was eine Schweizer Firma ausmacht, noch will es das Ranking der «Handelszeitung» kommentieren. Selbst Wikipedia ist offenbar unsicher: In der deutschen Ausgabe wird Amsterdam, in der englischen Genf als Hauptsitz angegeben.
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