Begrüssung oder Schlachtruf?Was bedeutet «Allahu akbar»?
Ein junger Mann erhielt eine Busse, weil er einen Kollegen mit «Allahu akbar» begrüsst hatte. Was hat es mit dem Ausdruck auf sich?
Weil der 22-jährige Orhan E. einen Bekannten mit den Worten «Allahu akbar» begrüsste, kassierte er dafür eine Busse. Grund: Erregung öffentlichen Ärgernisses. Dabei handle es sich um eine «alltägliche Redewendung», so der türkisch-stämmige Schweizer. Er wolle damit etwas, was er als positiv empfinde, betonen.
Gleichzeitig ist «Allahu akbar» aber auch der Schlachtruf islamischer Terroristen. Erst im Dezember letzten Jahres rief der Angreifer vom Strassburger Weihnachtsmarkt laut Zeugen «Allahu akbar». Ebenso der Mann, der in New York an Halloween im Jahr 2017 acht Menschen tötete, sowie der Terrorist von Lüttich im Mai 2017 oder die Attentäter in Paris 2015 bei ihrem Angriff auf die Redaktion von «Charlie Hebdo».
«Bestimmte Jugendmilieus brauchen den Ausdruck»
Was also bedeutet «Allahu akbar» genau? Laut der arabischsprachigen Saida Keller-Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam ist «allahu Akbar» keine Grussformel. «Der Ausdruck wird dann verwendet, wenn etwas sehr Überraschendes geschehen ist, etwa ein unerwarteter Todesfall. Oder man kann ihn auch vor einem bedeutenden Ereignis aussprechen.» Sie vermutet: Weil der 22-Jährige türkisch-stämmig sei, sei er wahrscheinlich nicht mit dem korrekten Gebrauch im Arabischen vertraut und habe den Ausdruck folglich falsch verwendet.
Auch laut dem Islamwissenschaftler Amir Dziri von der Universität Freiburg ist es nicht besonders üblich, sich auf diese Weise zu begrüssen. Aber gerade in bestimmten Jugendmilieus werde der Ausdruck vor allem emotional und losgelöst von seiner ursprünglichen Verwendung gebraucht. Tatsächlich werde «Allahu akbar» neben seiner Verwendung als Teil der Gebetsliturgie auch umgangssprachlich benutzt. «Selbst säkulare Muslime verwenden den Ausdruck im Alltag», sagt Dziri.
«Gott steht über allem»
«Der Ausdruck ist ein «Gummiwort» und wird zu ganz unterschiedlichen Zwecken eingesetzt», sagt der preisgekrönte Arabist und Übersetzer Hartmut Fähndrich. Wörtlich übersetzt bedeute «Allahu akbar» «Gott ist grösser (als alles andere auf dieser Welt)», beziehungsweise «Gott ist am grössten». Da in der arabischen Sprache kein Superlativ existiere, werde das Wort «akbar» je nach Präposition als Komparativ oder Superlativ genutzt.
Laut der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung ist «Allahu akbar» eine von zahlreichen islamischen Formeln, die viele Muslime regelmässig verwenden. Vor allem in Gebeten werde sie häufig gebraucht. «Der Ausdruck «Allahu akbar» wird im arabischen Sprachraum häufig im Alltag benutzt und in verschiedenen Lebenslagen ausgerufen», sagt Fähndrich. Er könne Erstaunen, Begeisterung oder Bestürzung ausdrücken. In der alltäglichen Verwendung entspreche er etwa dem Deutschen «Oh, mein Gott!». Der Ausdruck werde auch häufig dann eingesetzt, wenn man mit einem Entscheid einer mächtigen Instanz nicht einverstanden sei: «Man will damit ausdrücken, dass Gott über allem steht und er es besser weiss als alle anderen.» Man könne damit auch religiöse Überlegenheit ausdrücken.
«Eine bewusste politische Provokation»
Islamistische Terroristen, die «Allahu akbar» brüllen, brauchen laut Fähndrich den Ausdruck, «um mit Gott ihre brutalen Taten zu rechtfertigen». Der Ausdruck sei auch schon in früherer Zeit als Schlachtruf verwendet worden. In grossen Teilen der islamischen Gesellschaften rege sich Widerstand dagegen, dass die Formel für blutrünstige Taten verwendet werde.
Laut Ulrich Rudolph, Islamwissenschafter an der Universität Zürich, ist die «an sich unverfängliche Gebetsformel auch zu einem Ausdruck der Selbstermächtigung («Ich bin ein grossartiger Muslim»)» und einer bewussten politischen Provokation geworden. «Allahu akbar», das Rudolph mit «Gott ist gross» übersetzt, sei eine traditionelle Lobpreisung Gottes und unter anderem Teil des islamischen Gebetsrufs. Dass die Formel heute auch gebraucht werde, um sich in expressiver Weise dem (vermeintlichen) Willen Gottes zu unterstellen und die Bereitschaft zum kämpferischen Einsatz dafür zu signalisieren, sei eine neuere Entwicklung, die mit dem Islamismus zu tun habe, der religiöse Traditionen für eigene ideologische Zwecke missbrauche.