PreiskampfWas bringt Nivea-Boykott den Konsumenten?
Die Migros kämpft um tiefere Preise und nimmt Nivea-Shampoos aus den Regalen. Die Antworten zu den wichtigsten Fragen.
Die Migros schmeisst Nivea-Produkte aus dem Sortiment. Das hat der Schweizer Detailhändler am Donnerstag auf Twitter verkündet.
20 Minuten liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen zum aktuellen Boykott:
Welche Produkte sind betroffen?
Der Boykott betrifft 19 Shampoos und Pflegespülungen von Nivea. Die Produkte, die der Detailhändler noch auf Lager hat, werden derzeit mit einer Preisreduktion von 50 Prozent angeboten. Die Liquidation dauert noch bis am 11. Mai.
Warum boykottiert die Migros Nivea?
Die Migros argumentiert, dass der deutsche Nivea-Besitzer Beiersdorf zu hohe Einkaufspreise verlange. Zum Teil würden sie deutlich über dem Verkaufspreis in Deutschland liegen. So müsse die Migros etwa für das Nivea-Hairmilk-Shampoo viel mehr bezahlen als Konsumenten im deutschen Drogeriemarkt DM. Der DM-Preis beträgt in Deutschland 1.65 Euro, umgerechnet 1.88 Franken. Der reguläre Preis in der Migros beläuft sich derzeit auf 3.50 Franken, wobei der Detailhändler im Rahmen des Boykotts 50 Prozent Rabatt gewährt.
Warum gerade jetzt?
«Der Boykott dürfte eine Reaktion auf den sinkenden Gewinn der Migros sein», sagt Michael Stadler, Strategie-Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Dieser bereite dem Händler schon seit mehreren Jahren Sorgen. Die Migros versuche jetzt mit verschiedenen Mitteln, die Unternehmenszahlen etwas aufzubessern. Dadurch, dass die Migros allein gegen Beiersdorf vorgeht, seien die Chancen des Händlers kleiner, als wenn das eine grosse Einkaufsgemeinschaft tun würde, wie das etwa bei den Boykotten von Coop gegen Mars und Nestlé der Fall war.
Wie geht es weiter?
Aus Sicht der Migros gibt es zwei Wege, wie Nivea-Produkte wieder in die Regale kommen können: Einerseits laufen die Verhandlungen mit Beiersdorf. Der Detailhändler hofft, dass der Konzern einlenkt und die Preise senkt. Die Migros sucht laut Sprecherin Christina Maurer aber auch nach alternativen Beschaffungsmöglichkeiten – etwa Parallelimporte über ein anderes Vertriebsnetz als das von Beiersdorf.
Wie lange wird der Boykott dauern?
Die Verhandlungen laufen, aber es ist unklar, wann die beiden Parteien eine Lösung finden werden. Stadler von der ZHAW geht von einer Verhandlungsdauer von einigen Wochen aus. Man wolle, dass die Kunden möglichst wenig vom Bestellstopp spüren, heisst es bei der Migros.
Was bedeutet der Boykott für den Konsumenten?
Wer gern Nivea-Produkte verwendet, dürfte einige davon in naher Zukunft nicht mehr bei der Migros erhalten. «Dank unseren Eigenmarken können wir garantieren, dass niemand mit fettigen Haaren herumlaufen muss», sagt Maurer. Bei Pflegeprodukten und gerade bei einer starken Marke wie Nivea dürften Kunden aber eher zögerlich auf Alternativen umsteigen, sagt Stadler von der ZHAW: «Da besteht bei Konsumenten eine stärkere emotionale Bindung als etwa bei Lebensmitteln.» Konsumenten dürften also auf Anbieter wie Coop ausweichen, die die Produkte weiterhin führen. Da man aber nicht täglich ein neues Shampoo kaufe, werde der Boykott für das Geschäft der Migros erst problematisch, wenn er sehr lange andauere.
Profitiert der Konsument?
Wenn Beiersdorf der Migros künftig niedrigere Preise bietet, dürfte das auch Konsumenten zugute kommen, glaubt Tilman Slembeck, Wirtschaftsprofessor an der ZHAW: «Gerade bei Drogerieprodukten sind der Wettbewerb und der Druck durch den Einkaufstourismus so gross, dass die Detailhändler Preisvorteile zumindest teilweise an Konsumenten weitergeben müssen.» Skeptischer ist Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz: «Das ist viel Lärm um wenig Nutzen für die Konsumenten.» In erster Linie gehe es um höhere Margen für die Detailhändler.
Wird also der Preis der Produkte am Ende nicht reduziert?
Der Druck eines Schweizer Detailhändlers auf einen internationalen Konzern wie Beiersdorf ist relativ klein. Slembeck von der ZHAW gibt zu bedenken, dass die Schweiz für einen deutschen Konzern einfach ein «weiteres Bundesland» sei. Zwar seien die Margen in der Schweiz gross, das Land sei aber zu klein, als dass der Migros-Boykott Beiersdorf massgeblich schaden könnte. Trotzdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass Schweizer Boykotts durchaus Preissenkungen bewirken können. So nahmen Coop und Migros 2011 Produkte von L'Oréal aus dem Sortiment, bis es zu einer Preissenkung von rund 10 Prozent kam.
Was sagt Beiersdorf zum Boykott?
Der deutsche Konzern, zu dem unter anderem die Marken Nivea, Labello und Tesa gehören, schreibt auf Anfrage, Migros und Beiersdorf befänden sich zurzeit in alljährlichen Jahresgesprächen. Zu diesen äussere sich der Konzern grundsätzlich nicht.
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