Nett oder unnötig?Was sollen die «Wie gehts»-Fragen im E-Mail?
Bevor sie in E-Mails zum Business kommen, fragen Absender gern nach dem Wohlbefinden. Manchen Empfänger verwirrt das.
Mit der Person hat man noch nie über das Wetter gesmalltalkt, geschweige denn sie zum Kaffee getroffen. Der Kontakt beschränkt sich auf einen sporadischen bis seltenen E-Mail-Austausch. Maximal hat man mit diesem Absender schon telefoniert. Trotzdem eröffnet die Person ihre Mails stets ausgesprochen persönlich: «Guten Tag, Frau X, wie geht es Ihnen?» oder «Guten Tag, Herr Y, ich hoffe, Ihnen geht es gut», heisst es dann.
Die Frage verwirrt regelmässig, wie eine kleine Umfrage bei Empfängern zeigt. Sie habe mit der Person nicht mehr als zweimal E-Mail Kontakt gehabt, sagt eine Empfängerin. Zuerst habe sie gedacht, sie kenne die Absenderin näher. «Ich fand es ungewöhnlich, dass sie sich Monate später meldete und gleich nach meinem Wohlbefinden fragte.» Ein Empfänger sagt, die Fragen seien besonders seltsam, da der Rest der Nachricht doch eher unpersönlich bis anonym daherkomme.
Die Angesprochenen reagieren auf die Frage unterschiedlich:
«Ich antwortete das erste Mal, es gehe mir gut, und fragte höflich zurück. In ihrer Antwort fiel die Absenderin dann aber gleich mit der Tür ins Haus: ein ‹Danke, mir geht es gut› oder Ähnliches tauchte in ihrer Nachricht weit und breit nicht auf. Seither ignoriere ich die Frage konsequent.»
«Wird geflissentlich ignoriert. In der Regel sind das E-Mails, bei denen jemand etwas von mir will. Die Frage wirkt dann eher wie eine strategische Höflichkeit.»
«Was mich nervt daran: Ich fühle mich verpflichtet, die Frage zu beantworten. Natürlich ist die einzig mögliche Antwort dann: Mir gehts gut. Alles andere würde den Rahmen sprengen. Ich frage gern zurück. Die Frage wird aber in den allermeisten Fällen ignoriert. Geschäfts-Mails sind meiner Meinung nach der falsche Ort, um sich über das Befinden tiefer auszutauschen. Ich bin dafür, dass die Frage nur gestellt werden soll, wenn einen die Antwort auch wirklich interessiert.»
«Ich schreibe jeweils einfach zurück: ‹Mir gehts gut, danke›, aber ohne zurückzufragen. Ich antworte aus Anstand drauf.»
«Unnötige Floskel»
Lorenz Wenger, Experte für Businesskommunikation, hält das «Wie geht es Ihnen?» für eine unnötige Floskel, die oft unbewusst eingesetzt wird. «In der Geschäftskommunikation steckt hinter der Frage selten ein echtes Interesse.» Viele Geschäftsleute würden sie als Warmschreiber oder Eisbrecher nutzen und weder eine Antwort noch eine höfliche Rückfrage nach dem eigenen Wohlergehen erwarten. «Die Frage ist vergleichbar mit dem englischen ‹How do you do?›, das zwar als Frage gestellt wird, aber nur eine Begrüssungformel ist.»
Klar einen Schritt zu weit gehe, wer frisch von der Leber weg über das eigene Wohlergehen plaudere. «Das wirkt auf den Empfänger dann befremdlich oder sogar kindlich.» Mittlerweile sei das «Wie geht's?» selbst in der mündlichen Kommunikation oft nicht mehr wortwörtlich als Frage zu verstehen, sondern eher als Teil der Begrüssung.
Wenger empfiehlt, in Geschäftsmails an Personen, zu denen man nicht regelmässigen Kontakt pflegt, direkt auf den Punkt zu kommen. «Findet das jemand zu unfreundlich, bezieht man sich einleitend lieber auf Aktualitäten. Im Sommer kann man den Empfänger zum Beispiel fragen, ob er Ferien hatte oder das schöne Wetter geniesst.»
Welche speziellen Floskeln fallen Ihnen auf, und welche wenden Sie selber immer wieder an? Erzählen Sie uns davon hier: